Ohne Wiederholung!
Das neue Album der legendären FAITH NO MORE erscheint ganze 18 Jahre nach ihrem letzten Werk „Album Of The Year“ von 1997, das ich nicht so toll fand. Ich hatte damals das Gefühl die Luft war raus und dem war dann wohl auch so. Jedenfalls markierte das Album das Ende einer, zusammen mit den Kollegen der RED HOT CHILI PEPPERS, stilprägenden Band, die Metal mit Rap, Punkrock, poppigen bis jazzigen Elementen verschmolz und mit Wucht das Crossover-Genre in die Musikhistorie pflanzte.
Meine FNM-Favoriten waren bisher das sensationelle dritte Album „The Real Thing“, welches auch das Erste mit Mike Patton war, der Chuck Mosley am Mikro ersetzte sowie das vor brachialer Schönheit strotzende Über-Album „Angel Dust“.
Auch das vorletzte Album „King For A Day, Fool For A Lifetime“ bot tolle Musik, kam aber weniger gut an, da FNM nicht nur diverse Stile innerhalb ihrer Songs verschmolzen, sondern auch musikalisch sehr unterschiedliche Titel nebeneinander stellten. So wurde beispielsweise auch brachiales neben fast jazzig-lounge-artigem platziert. Diese stilistisch extremen Wechselbäder waren nicht leicht verdaulich und zerstörten sicher auch etwas den Albumzusammenhang von „King For A Day…“.
Nun also das neue Werk. „Sol Invictus“ verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie „King For A Day…“ und stellt auch musikalisch unterschiedliches nebeneinander. Die Herren gehen diesmal aber wesentlich geschickter vor und schaffen einen roten Faden, der sich durch das Album zieht. Dies gelingt zum einen, indem ein brachiales Stück wie die Single „Superhero“ nicht durchgehend grob auftritt, sondern gegen Ende ruhiger ausläuft und ruhigere Tracks auch kantiges aufweisen. Auch das Ausnahmetalent des Sängers Mike Patton bildet eine Klammer, da dieser nur im ruhigen Intro „Sol Invictus“ und im entspannten Schlusstrack „From The Dead“ durchgehend klar singt, ansonsten auch in ruhigeren Stücken nicht ausschließlich den Crooner gibt, sondern schreit, würgt, bellt und ätzt, dass es eine wahre Freude ist. Beeindruckend ist auch, dass man an der Musikalität, Rhythmus (und natürlich Pattons Stimme) gleich FNM erkennt, diese sich aber nie wirklich wiederholen oder selbst zitieren. FNM klingen nie vorhersehbar und geben den neuen Stücken Elemente, die man so nicht von ihnen kennt. Das vor Energie berstende „Superhero“ hat zum Beispiel einen schön ätzend-rasiermesserscharfen Noise-Gitarrensound, wie man ihn bis dato von der Band noch nicht zu Gehör bekommen hat. „Sunny Side Up“ besticht als Midtemporocknummer, mit funkigen Gitarreneinsprengseln sowie Pattons coolen Crooner-Gesang, der aber auch mal ins biestig-fauchende wechselt. Das fiebrig-nervöse „Seperation Anxiety“ präsentiert Patton im Falsett singend, mit hastigem Sprechgesang und wirkt wie der Soundtrack zum Herzinfarkt. Dann kommen drei auf unterschiedliche Art „westernangehauchte“ Songs. „Cone Of Shame“ beginnt als düster-lässiger Western-Soundtrack und explodiert in einem Fluss aus kraftstrotzender Energie, „Rise Of The Fall“ kombiniert coole Ennio-Morricone-Impressionen, inklusive Mundharmonika mit Reggae-Rhythmik sowie bratzigem Metal und „Black Friday“ kombiniert akustische Gitarren mit nach Kastagnetten klingenden Percussions und treibend-voranpreschendem Rock. Es folgt „Motherfucker“, ein düsterer Rap mit „Armeetrommeln“ und bestechender Hintergrundmelodie. „Matador“ kommt klaustrophobisch mit manisch-schrägem Piano daher und entwickelt sich zu einem gewaltig-bombastischen Rock-Monolithen… -
Ein tolles, spannendes Album, das die Band mit „Sol Invictus“ abliefert. FNM könnte in diesem Fall nicht nur als Kürzel für FAITH NO MORE , sondern durchaus auch für „finest new material“ stehen ;-)
Reclamation Records (Ipecac) / Rough Trade - VÖ: 15.5.2015
Jo Neujahr