force_attack_img_2465_klein.jpgDer Höhepunkt naht!

Berlin: Die Festival-Saison nährt sich langsam ihrem diesjährigen Höhepunkt. Nicht nur das BACK TO FUTURE in Dessau war letztes Wochenende, sondern auch die größte Punkerparty an der Ostsee, das FORCE ATTACK - Festival, steht am nächsten Wochenenden vor der Tür. Drei Tage volles Programm, drei Tage Party. Mit durchgeknallten Leuten, Bier und hoffentlich schönem und trockenem Wetter. Die letzten Jahre waren weit mehr als 10.000 Punks aus dem In- und ...


... Ausland angerückt. Dieses Jahr werden es sicher nicht weniger sein, denn auf diesem Festival passt einfach alles zusammen. Um die Vorfreude größer werden zu lassen und als Motivation für diejenigen, die noch überlegen ob sie hoch fahren, gibt’s hier meinen Erlebnisbericht vom Force Attack aus dem letzten Jahr:
 
FORCE ATTACK 2007 - Der Aufbruch in eine andere Dimension

Das Jubiläums-FORCE ATTACK wurde 2006 mit einem Besucherrekord gefeiert. Wie sollte es dieses Jahr, 2007, werden? Der Wetterbericht versprach nix Gutes... kühl und nass sollte es werden. Und das Ende Juli! Komischerweise schien am Freitag, unserem Abfahrtstag, die Sonne. So ging es mit wütendem Hardcore Punk von THE EXPLOITED von Berlin aus auf die Autobahn gen Benkenhagen. Erst in Rövershagen, am Erlebnishof des Bauern Karl, staute sich der Verkehr. Same procedure as last year. Manch Einheimischer verdiente sich ein paar Euros mit Bierausschank und Grillwürstchen auf dem Weg zum Festivalgelände dazu.

Die Einfahrt aufs Gelände war ruhig, fast leer. Die meisten waren schon am Donnerstag angereist. Doch dann erreichten wir eine fast noch größere Zahl an parkenden Autos und Zelten als im letzten Jahr. Wir ließen uns einweisen und standen plötzlich eng neben einem anderen Auto. Als wir uns fragten was das soll, hörten wir die gereizte Stimme der Einweiserin, wir sollten doch bitte noch enger zusammenparken. Sicher! Wenn wir das Festival hätten im Auto verbringen wollen, kein Problem. Wollten wir aber nicht, und so brachen wir eine Diskussion vom Zaun, die unentschieden endete. Eng war es zwar immer noch, aber sie hatte sich andere Opfer gesucht.

Während unseres Zeltaufbaus hörten wir C.O.R., die bereits spielten. Ein erstes Highlight, auch wenn wir nicht direkt vor der Bühne standen. Die nächste Band verpassten wir, waren aber dann bei CHEFDENKER pünktlich vor der Bühne. Die Band war für viele Leute der Höhepunkt des Tages, vorne war es richtig voll. Die Kölner schafften es auch diesmal, gute Stimmung zu verbreiten. Der Song “Filmriss“ wurde lautstark mitgesungen. Schade nur, dass die meisten Mitsingenden die Ironie des Textes nicht verstanden. Aber sollte man sich auf der größten Punkerparty selbst reflektieren? DAISY CHAIN, die danach im Zelt spielten, sahen wir uns kurz an, doch konnte uns die Band nach CHEFDENKER nicht begeistern.

Wir grillten derweil erst mal. Während wir also genüsslich Bier und totes Tier zu uns nahmen, spielten die großartigen DÖDELHAIE. Was wir zu uns rüber drang war klasse. Dieses Deutschpunkurgestein schafft es, live immer noch zu begeistern. Ihre Texte sind allzeit aktuell, ihre Musik immer noch druckvoll. Die nächste Band, die wir sehen wollten, war DISTEMPER. Sie spielten auf der Zeltbühne. Wir schafften es nur mit Glück rein zu kommen, das Zelt kochte und die Stimmung war großartig. DISTEMPER rissen das Publikum mit, ihre Mischung aus Ska und Hardcore begeisterte alle. Eine absolut großartige Band! Die BOXHAMSTERS, die danach auf der Hauptbühne spielten, taten wir uns ein paar Songs lang an. Schön, dass ich die Band mal gesehen habe, ist aber nicht wirklich meine Musik. Schnell noch Bier geholt, und wieder ab ins Zelt vor die Bühne, denn dort spielten jetzt NO RESPECT. Es war wie bei DISTEMPER, voll, heiß, stickig… und sehr geil. NO RESPECT sind nicht nur politisch korrekt und engagiert, sondern auch musikalisch absolute Spitzenklasse - schneller Skapunk, der zum Tanzen zwingt. Perfekte Bläsereinsätze, rauer, kämpferischer Gesang. Das Publikum dankte es der Band.

Leider lösen sich NO RESPECT 2008 auf. So war dieser Gig schon einer der letzten dieser großartigen und wichtigen Band. Ich empfehle im nächsten Jahr ein größeres Zelt! Feuer und schnelle Klänge - passender kann es in der Nacht kaum sein. Die Hauptbühne betraten danach MAD SIN, um ihre Mischung aus Psychobilly und Punkrock ins Volk zu rotzen. MAD SIN - wieder ein Highlight. Sie wurden gefeiert und Sänger Köfte gab alles. Der Band sah man an, dass sie ihren Spaß hatte. In der zweiten Hälfte der Show gab es einen Feuerspuckereinsatz. Feuer und schnelle Klänge - passender kann es in der Nacht kaum sein. DIE SCHNITTERS hatten leider nicht die Ehre, von uns begutachtet zu werden, denn ein Päuschen mit Bierchen war angesagt, um danach frisch gestärkt vor der Bühne mit tausend anderen Bunthaarigen zu THE CASUALTIES das Tanzbein zu schwingen. Das war Hardcore–Punk zur Geisterstunde vom Allerfeinsten. Diese wichtige Band gehört politisch und musikalisch zu dem Besten, was Punkrock in den USA zu bieten hat. Die letzte Combo im Zelt, COMMANDANTES, sah ich mir nicht an. Mir wurde jedoch berichtet, dass die Band gut sei, da sie Arbeiterkampflieder covere.

Der nächste Morgen begrüßte uns mit Sonnenschein. Die Zeit bis zum Anfang der Bands vertrödelten wir mit einem ausgiebigen Spaziergang auf dem Gelände. Es werden immer mehr ausländische Gäste, wir sichteten Portugiesen, Franzosen, Schweden, Schweizer und Österreicher. Es ging entspannt zu, man trank das erste Bier und versuchte, mit seiner überschüssigen Energie fertig zu werden. Wenn jemand einen Beweis für die kreative Energie unserer Jugend braucht, soll er auf´s Force Attack gehen. Neben allerlei Blödsinn kamen die Leute auch auf echt gute Ideen. Um 14.30 Uhr eröffneten THE VAGEENAS und es gab krachigen, melodiösen Punkrock der alten 77er Schule. Ihre Sängerin war was für’s Auge, sie bewegte sich in knappem Kleidchen auf der Bühne wie ein Derwisch.

BITE THE BULLET aus Berlin legten auf der Zeltbühne nach. Das Tanzbein wurde zwar kaum geschwungen, aber es waren eine Menge Leute im Zelt, um sich den krachigen, 77er-lastigen Streetpunk der Kreuzberger anzuhören. Eine sehr gute Band, die in meinen Augen leider nicht die Bekanntheit hat, die sie eigentlich verdient. Um 17.30 Uhr dröhnte OHL, die Oberste Heeresleitung aus Leverkusen, aus den Boxen. Brachialer Industrialsound gemischt mit Punkakkorden. Eine Diskussion über die Band erspare ich mir an dieser Stelle. Für diejenigen, die der Band rechtes Gedankengut vorwerfen, spielten OHL wie auf jedem Konzert “Belsen ein KZ“.

Die nächste Band auf der Hauptbühne war LOIKAEMIE. Politisch engagiert, schöne Mitgröhl–Songs, verpackt in druckvolles Oi Punk-Gewand... Herz, wat willste mehr? Tausende von Punks und Skins dachten genauso und so war es extrem voll. Die Band zeigte wieder, warum sie zur Speerspitze des Oi–Punks in Deutschland gehört. Auf der Hauptbühne spielte nun Highlight auf Highlight. Dann: 20.30 Uhr, Samstag, Hauptbühne. Welche Band hat diesen Platz verdient? Welche Band hat diesen Platz bekommen? Welche Band hat letztes Jahr die meisten Leute vor die Bühne gezogen? PÖBEL & GESOCKS! Und sie spielten für Pöbel und Gesocks! Im letzten Jahr war bei dieser Band jeder, der stehen konnte vor der Bühne. Das gleiche Bild zauberte die Band dieses Jahr auch (vielleicht waren 100 Leute weniger vorne, aber wer will da schon kritisch sein?) Es gab Partypunk vom Feinsten. Ein gut betankter Willi Wucher sang und schwang sich durch das Set, dass es eine Freude war. DIE MIMMIS waren die nächsten, die auf der Hauptbühne spielten. Toll zu sehen, wie Fabsi mit über 50 Lenzen noch so durch und durch Punkrocker ist. 25 Jahre gibt es die Band schon und sie ist ihrem Stil treu geblieben. Musikalisch gesehen klingt das fast exotisch, denn alten Deutschpunk… wer spielt den noch? Fabsi und Co. legten eine gute Show hin und Songs wie “Du bist Deutschland“ oder “Gebt den Faschisten keine neue Chance“ sind einfach Klassiker, jeder für seine Zeit.
 
Danach schnell zur Zeltbühne, denn die legendäre Berliner Punkband FLUCHTWEG begann mit ihrem Set. Mit dem aktuellen Album “Corporate Identity“ sind sie erwachsener, feinfühliger, intimer, verletzlicher und noch schmerzhafter geworden. Auch wurden die Nadeln feiner, die in die Wunden der Gesellschaft bohren. Es war extrem schön zu sehen, wie viele Leute diese Band noch kennen und die Songs mitsangen. Die Musiker gaben Vollgas. Neue und alte Stücke ergaben ein tolles Set zum Tanzen, Träumen und Mitsingen. Hoffentlich bleiben sie uns noch lange erhalten. THE OTHERS auf der Hauptbühne sah ich noch kurz: Horrorpunk, wie er sein soll. Aber um mehr darüber zu schreiben, hätte ich länger da sein müssen.

Um 14.30 Uhr am Sonntag eröffneten FAHNENFLUCHT. Einer der Knaller des Tages. Vor der Bühne war es so voll wie sonst erst ab 19.00 Uhr. FAHNENFLUCHT ist eine der besten Deutschpunkbands. Musikalisch druckvoll, sauber gespielt, und von dumpfem Deutschpunkgeballer so weit entfernt wie der Papst von Gruppensex. FAHNENFLUCHT ballerten ihr Set so schnell ins Publikum, dass am Schluss noch Zeit blieb für zwei Songs. Jeder politisch engagierte Punk sollte die Band im CD–Regal haben. Dann kam der Regen und mit ihm die Kälte. Legen wir den Mantel des Schweigens über die nächsten Stunden.
 
Zu DIE SKEPTIKER ließ der Regen nach. Die Band spielte routiniert ihre alten Songs und enttäuschte keinen. Wer sie schon früher mochte, mag sie noch immer. Und wer nicht, den wird die Reunion auch zu keinem Fan machen. 19.45 Uhr, Zeltbühne: Völlig überfüllt. Drückende, feuchte Hitze. Es spielte eine Band aus dem Saarland, die nach ihrem Auftritt in sämtlichen Punkforen und Gästebüchern zum Diskussionsthema wurde. Man mag zu den KRAWALLBRÜDERN stehen wie man will, aber eines machen sie eben auch: recht gute Musik. Natürlich ähneln sie musikalisch den ONKELZ, denn sie spielen druckvollen Prollpunk, der auch Leute aus den rechten Randgebieten anziehen kann. Jedoch schließe ich aus, dass die Band rechts ist. Würde eine rechte Band auf dem FORCE ATTACK spielen? THE LURKERS spielten auf der Hauptbühne ihren souveränen 77er Punk und lockten schön gestylte Männlein und Weiblein vor die Bühne. Die nächste Band, die ich mir ansah war ZAUNPFAHL aus Teterow. Das Zelt war für die Band eindeutig zu klein. Es tropfte von der Decke und an Pogo war mangels Platz kaum zu denken. ZAUNPFAHL feierten mit dem Publikum und dieses gab sichtlich alles.
 
Danach, als letzte Band auf der Hauptbühne: die legendären THE METEORS. Zu dieser Legende muss nicht viel gesagt werden. Wer Psychobilly hört, kommt an der Band nicht vorbei. Ihre Songs sind düster und voller Atmosphäre. Da sie musikalisch extrem gut sind, schafften sie es, mit ihrer Musik zu faszinieren. Gebannt lauschendes Publikum, fast andächtig, dazwischen ein paar tanzende Kadaver, äh… Psychobillys. Dunkle Nacht, dezente Bühnenbeleuchtung. Ergreifend!!

FORCE ATTACK - wie jedes Mal geil… und ich komme gerne wieder.

Fotos: Lundi