Der Altmeister unserer Zunft
Die Hochzeit der Liedermacher war in der BRD vor langer Zeit, als die Massen noch auf die Straßen gingen, die Jugend aktiv gegen Atom- und Vietnamkrieg kämpften und man die Regierung und die Polizei als die wahren Gegner der Republik erkannte.
Und immer tourte die Musik als Begleiter mit. Zum einen die herrlich anarchistische Rockband TON STEINE SCHERBEN und zum anderen die Liedermacher, die mit klaren Worten und einfachen Melodien am Lack der Gesellschaft kratzten und manch giftigen Stich setzten. Als der wichtigste Sänger zählt Franz Josef Degenhardt, den man heute noch als Vorbild nennt und dessen Lieder immer wieder auf Kundgebungen zum Vortage kommen. Damit keines seiner wertvollen Lieder vergessen wird, gibt es nun eine prall gefüllte 4-fach CD mit 64 Songs aus 45 Jahren. Franz Josef Degenhardt verstarb am 14.11.2011.
1931 geboren im Ruhrgebiet, schlug Degenhardt früh den Weg eines Verteidigers des demokratischen Rechts in Deutschland ein. Als Rechtsanwalt verteidigte er Sozialdemokraten und Kommunisten, die wegen Aktionen der APO (Außerparlamentarische Opposition) angeklagt waren, und 1972/73 gar Mitglieder der Baader-Meinhof Gruppe. Während dieser Zeit beschäftigte sich FJD immer wieder mit der Liedermacherei, schreib eigene Werke und sang zum ersten Mal auf dem legendären Burg Waldeck-Festival. Mit seinem zweiten Album, das 1965 auf den Markt kam, trat er endgültig ins nationale Rampenlicht, der Song „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, der dem Album auch den Namen gab, entwickelte er ein unvergessliches Lied mit Wiedererkennungscharakter. Seine vielen Auftritte bei Ostermärschen, Demonstrationen gegen den Atomkrieg und gegen den Vietnamkrieg machten ihn zu einer festen Größe im Kampf für eine bessere Welt und verpassten sicherlich auch der 68er-Bewegung so manchen Anschub. Bis heute unvergesslich ist aus dieser Zeit das Lied gegen den Faschismus „Wölfe Mitten im Mai“, die kleinen Hits „Väterchen Franz“ und „So sind hier die Leute“.
Degenhardt schrieb aber nicht nur aussagekräftige Lieder, die fest in Folk und Blues verankert sind, sondern auch Bücher mit autobiographischen Zügen. 1973 erschien sein Erstling „Zündschnüre“, der sogar verfilmt wurde, später dann „Brandstellen“ und „Der Liedermacher“.
Nun wird mit einer großen Werkausgabe im Kulturmaschinen Verlag seine belletristische Arbeit gewürdigt und mit der Liedersammlung „Gehen unsere Träume durch mein Lied“ an das musikalische Schaffen erinnert. Neben den bereits erwähnten Stücken gibt es den „Wildledermantelmann“, in dem Degenhardt einen Menschen karikiert, der auf seinem Marsch durch die Institutionen seine Ideale verriet. Mit „Die Ballade vom verlorenen Sohn“ setzt er das Schmuddelkinder-Thema fort und mit dem Lied „Sacco und Vanzetti“ erinnert der Sänger und Autor an die US-Arbeiterführer. Bis 2008 reicht die mit Liebe zusammengestellte Auswahl, die ab jetzt jeder haben sollte, der gegen Faschismus ist, den Frieden liebt und Songs mit Inhalt hören will.
Wie sagte doch Konstantin Wecker sehr richtig: „Degenhardt bleibt Inspiration und Vorbild, der Altmeister unserer Zunft. Er hat unsterbliche Lieder geschrieben – und gerade als die große Welle der 60er abgeebbt war und danach, hat er seine politisch wichtigsten und meines Erachtens künstlerisch besten Werke abgeliefert. Sein Werk wird bleiben. Keiner von uns kommt daran vorbei.“
Franz Josef Degenhardt, Lieder 1963 – 2008, Koch / Universal