Mojo Juju press shot 2012 klHot, Sweaty, Dark & Sexy

Die Australierin Mojo Juju bedient sich musikalisch und visuell einer längst vergangenen Ära. Ihr erstes Soloalbum ist dennoch alles andere als altmodisch. Im Oktober ist sie auf Clubtour in Deutschland zu bewundern.

Ein flackerndes Schwarz-Weiß-Video, wahrscheinlich mit dem Smartphone und irgendeiner Vintage-App aufgenommen. Eine junge Frau mit Gitarre in der Hand und Elvis-Tolle auf dem Kopf spielt den Smiley-Lewis-Klassiker „One Night (Of Sin)“. Zwischen schmachtend, schüchtern und verrucht blickt sie mit Schlafzimmerblick in die Kamera und singt davon, wie sich etwas Falsches nur so richtig anfühlen kann.

http://www.youtube.com/watch?v=vaHU9vNQYYI

»Die Thematik von ‚One Night (Of Sin)’ ist universell«, sagt Mojo Juju. »Es geht um Lust, um Begierde. Darum, seinem Verlangen nachzugeben und sich hinterher schuldig zu fühlen. Eigentlich ein Gefühl, dass wir alle kennen. Oder etwa nicht?«

 

Es war 1957, als Elvis Presley den Song aufnahm, aber wegen seines etwas verfänglichen Inhalts zunächst nicht veröffentlichen durfte. »Ich habe mich für die ursprüngliche Version entschieden«, so Mojo Juju, »weil ich die Vorstellung mag, für wie unverschämt und provokant er gehalten worden sein muss. Es fasziniert mich, dass Elvis damals dazu angehalten wurde, ihn mit, wie es hieß, »angemesseneren« Lyrics erneut einzuspielen.« Und so wurde aus „One Night (Of Sin)“ zuerst „One Night (With You)“ und anschließend ein Hit.

In Mojo Jujus Version erinnert trotz der ursprünglichen Lyrics vieles an Elvis: Wie sie ihr virtuelles Gegenüber fixiert, die Oberlippe kräuselt, wie sie ihre widerspenstige Tolle zähmt. Mojo Juju hat etwas kreolisches an sich, das auch ihre Musik transportiert. Das Rückgrat ihres Albums bilden Swing, Jazz und Blues, eine Mischung, die den Zuhörer geradewegs in ein Paralleluniversum versetzt, in dem die Vaudeville-Theater New Orleans’scher Prägung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nie aufgehört haben zu existieren. Eher ungewöhnlich für eine gerade mal 30-Jährige könnte man denken - doch Mojo Juju entstammt einer Familie von Jazz- und Blues-Enthusiasten aus Dubbo, New South Wales, wird folgerichtig auf der anstehenden Europatournee von ihrem Bruder am Schlagzeug begleitet, der auf den konsequenten Namen T-Bone hört, und spricht man sie auf ihre musikalischen Vorbilder an, sprudelt es nur so aus ihr heraus:

»In meiner Kindheit haben mich vor allem Louis Armstrong, Billie Holiday und Elvis geprägt. Heute ist die Liste länger, und von allen auf der Liste konnte ich etwas lernen.« Beispiele? »Von Louis Jordan einen bestimmten Sinn für Humor, von Little Richard wilde Hemmungslosigkeit, von Tom Waits die Kunst des Geschichtenerzählens und von Betty Davis, wie man Sex in die Musik bringt.«

Diese Einflüsse konnte man bereits bei den SNAKE OIL MERCHANTS heraushören, ihrer Band, die sich nach über fünf gemeinsamen Jahren unlängst auflöste. Auf ihrem selbstbetitelten, im September 2012 erschienenen (und in Deutschland bislang nur als Download erhältlichen) Solodebüt finden sich unzählige weitere Anknüpfungspunkte, ein Kaleidoskop unterschiedlichster musikalischer Einflüsse, die vor allem eines gemeinsam haben: Den Verzicht auf Produktionsschnickschnack. Das dunkel-erotische »Must Be Desire« etwa bedient sich eines klassischen Boogie-Riffs à la John Lee Hooker, bei »Train Along The Hawkesbury« meint man die amerikanische Folksängerin Ani DiFranco zu hören, und für einen unaufhaltsam groovenden Soulsong wie »Horse Named Regret« hätte Beyoncé vermutlich sogar ihren Ehering versetzt. Und der hat 18 Karat.

http://www.youtube.com/watch?v=g_gMsmx0u-k

»Ich versuche, mich in meinem Songwriting nicht selbst zu beschränken - ich schreibe, was mir in den Sinn kommt, und dann beginnen die Songs ohnehin, ein Eigenleben zu entwickeln« sagt die Australierin, angesprochen auf die vielen Stile, die das Album beinhaltet. »Ich möchte niemand sein, der auf ein Genre festgelegt ist.« Erstaunlicherweise klingt die selbstbetitelte Platte anfangs sehr homogen, erst nach mehrmaligem Hören entfaltet sich ihr ganzer stilistischer Reichtum vollends. Etwas versteckt, als vorletzter Song, findet sich mit »The Thing I Can’t Erase« sogar eine treibende, düstere Countrynummer, die Johnny Cash vermutlich ohne zu zögern auf eines seiner American-Alben genommen hätte - und das nicht nur wegen der Musik. Der Text erzählt aus der Ich-Perspektive von einem im Alkoholrausch begangenen Mord aus Eifersucht. Überhaupt wimmelt es in ihren Songs von Protagonisten, auf die Philip Marlowe hätte treffen können, in einem dieser Diner vielleicht, wo der Kaffee bottomless, die Eier gut durch und die Burger fettig serviert werden. Genau einen solchen Laden lässt Mojo Juju in »Frankie Baby« hinter sich, weil ihr die titelgebende Tänzerin den Kopf verdreht. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden steigt sie in Frankie Baby’s schwarzen, heckflossenbewehrten Phoenix: Now every barroom is a ballroom / Every truck stop serves an banquet / Every two-bit, flea-bit, roadside bed-sit / It could be the Ritz heißt es, und dann fahren sie einfach weiter, gemeinsam in den Sonnenuntergang oder, wahrscheinlicher, in den nächsten Jazzclub, wo der Gin billig, der Rauch dicht, die Musik laut und das Leben echt ist.

»Es dreht sich alles um Gefühl und Intuition - das liebe ich so sehr« sagt Mojo Juju, angesprochen auf ihre Leidenschaft für frühen Blues und Soul. »Du wirst irgendwohin transportiert, wo es hot, sweaty, dark & sexy ist. Früher R&B ist so roh, so beseelt: Ein Mensch mit einer Gitarre und einer Geschichte. Eine Gruppe von Leuten, die in einem Zimmer zusammen Musik machen. Zu Livemusik Tanzende, die darüber ihre Sorgen vergessen.«

Als Elvis Presley vor ziemlich genau 45 Jahren sein Comeback in schwarzem Leder feiert, geht es genau darum: Um eine Gruppe von Leuten, die in einem Raum zusammen Musik machen. Scotty Moore spielt Gitarre, wie damals, als alles begann. DJ Fontana dient ein Gitarrenkoffer als Resonanzkörper für seine Drumsticks. Auf der Setlist steht unter anderem »One Night (With You)«, doch Elvis wechselt zwischen seinem und dem Text von Smiley Lewis hin und her. »Schreiend, kreischend, knurrend, wollüstig bekennt Elvis Farbe, und die Menge tut es ihm gleich, indem sie nicht mehr nach der Vergangenheit verlangt, die wieder heraufzubeschwören sie ins Studio geholt worden ist, sondern auf etwas vollkommen neues anspricht«, beschreibt Greil Marcus diesen Moment in seinem Buch Mystery Train.

Auch Mojo Juju beschwört mit ihrer Musik keine Vergangenheit herauf. Sondern ein Gefühl. Das Gefühl, das die Aufnahmen ihrer musikalischen Helden transportieren. Und dieses Gefühl ist zeitlos.

Mojo Juju auf Europatour im Okober:

TUE 01: Club Mau, Rostock

WED 02: LeMans, Bremen

THU 03: Hafenklang, Hamburg

FRI 04: Galeria Lunar, Hannover

SUN 06:Extra Blues Klub, Bielefeld

WED 09: Fish N Blues Club, München

THU 10: Der Bok, Mannheim

FRI 11: Kohi Kulturraum, Karlsruhe

SAT 12: Kradhalle, Ulm

SUN 13: Hausbar Münzgasse, Tübingen

WED 16: Bar 3000/Zukunft, Zürich

FRI 18: Platanenhof, Basel

SA 19.: La Parapluis National, Binche

SUN 20: Lou's bar, Liege

WED 23: Ain't Nothing But… Soho, London

THU 24: Blues Kitchen, Camden, London

FRI 25: La Feline, Paris

MON 28: White Trash Fast Food, Berlin

WED 30: Bassy Club Halloween Special, Berlin