Verräter sollten schweigen!
Berlin: "Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet", beklagte Bundesarbeitsminister Scholz (monatliches Einkommen ca. 13.000 Euro). Nach dem neuen, heute von der Bundesregierung veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht ist gut jeder Vierte hierzulande von Armut betroffen und kann aus eigener Kraft als Alleinlebender nicht mehr als 781 Euro netto (60 % des mittleren Einkommens nach Definition der EU) verdienen. Als reich hingegen gelten diejenigen, die als Alleinstehende mehr als 3.418 Euro zur Verfügung haben. Scholz vergießt im BILD-Interview weitere Schleimtränen: "Die Einkünfte der Reichen sind gewachsen; dagegen sinken die Einkommen im unteren Bereich leicht, im mittleren stagnieren sie" und besonders bedrückend sei für ihn, dass immer mehr Menschen arbeiten und trotzdem arm sind. Ach Gott... wie rührend, Herr Bundesarbeitsminister!
Aber Moment - war da nicht was? Gehörten Sie nicht als Generalsekretär der SPD zur eisernen Garde von Bundeskanzler Schröder, die zwischen 2002 und 2004 unbeirrbar die größten Einschnitte in die Sozialleistungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die bekannte Operation Hartz, vornahm? Gleichzeitig wurde in der Legislaturperiode der Spitzensteuersatz in der Einkommenssteuer sowie die Körperschaftssteuer für große Unternehmen gesenkt. Der Grund für diese „Reform“: Damals gab es viele Arbeitslose und die Wähler waren darüber nicht begeistert. Die Rot-Grüne Bundesregierung entschied sich zur Lösung dieses Problems für das Modell „Entwicklungsdiktatur“. Das Motto: Förderung der internationalen Wettbewerbsförderung durch Lohnsenkung. Zu diesem Zweck brauchte man Gewerkschafter hierzulande nicht mal ins Gefängnis stecken, denn für einen wirklichen Widerstand gegen diesen Kurs waren diese bereits zu stark durch das System domestiziert. Einziges Problem waren also nur noch die damals noch bestehende Sozial- und Arbeitslosenhilfe, weil sie die nötige Flexibilität der Löhne nach unten behinderten. Aber mit Ihrer tatkräftigen Hilfe, Herr Scholz, wurde dieses Problem effektiv beseitigt und das Ergebnis (im Fachjargon Lohnspreizung genannt) kann sich nun sehen lassen: „Millionen arbeiten zu Hungerlöhnen“ (Süddeutsche 18.4.2008) und oben in der Upper Class können ein paar Champagner-Flaschen mehr getrunken werden. Und nichts ist so sexy wie Erfolg: Deutschland bleibt Exportweltmeister, die Chinesen können uns mal! Inzwischen lagern andere europäische Länder ihre Produktion nach Deutschland aus und polnische Spargelstecher suchen lieber besser bezahlte Jobs in Großbritannien. Finanzkrise? Kein Problem, wir sind billig genug. Jetzt würden Sie sagen: „Lohndumping schadet Deutschland“, so wie es auf ihrer Internetseite steht. Aber wissen Sie, Herr Scholz: Verräter sollten schweigen! Ansonsten entstehen in meinem Kopf immer so eigenartige, dunkle Phantasien... begleitet durch Soundtracks dieser Art:
Siehe auch:
Steigende Gewinne - sinkende Löhne: Der Trend bleibt ungebrochen!
Süddeutsche 18.5.2008
Süddeutsche 18.4.2008
Nachtrag am 27.5.2008:
Gestern wurde in Berlin der Report des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF für Deutschland vorgelgt. In diesem wurde Deutschland zum x-ten Mal schriftlich bestätigt, dass die Bildungschancen und der Gesundheitszustand der Kinder in diesem Land extrem von der sozialen Herkunft abhängig ist. Danach wieder das übliche Ritual: Krokodilstränen von Politikern, die seit Jahren Regierungsverantwortung tragen, und ein Schwall mit verbalem Durchfall aus neuen Vorschlägen, dem zum Trotz die Spaltung unserer Gesellschaft weiter geht wie bisher. Denn: Würden es z.B. die SPD-Politiker damit ernst meinen, dann müssten sie zunächst die Rot-Grüne-Regierungspolitik unter Schröder nachträglich ans Kreuz nageln, eine glaubwürdige inhaltliche Kehrtwende vollziehen, die Große Koalition verlassen und eine Koalitionsaussage zugunsten der Linkspartei machen. Selbst dann wäre nicht sicher was dabei heraus kommt, aber es wäre die einzige Chance.
Während die sogenannte Linke hier zu Lande nicht weiß wo hinten und vorne, rechts und links ist, führt das Bundesmerkel den erfolgreichen Klassenkampf für die High Society weiter. Deshalb gehört das letzte Wort zum Thema selbstverständlich unserem Topcheckerbunny No. 1: "Wir kommen ohne die vielen Leistungsträger nicht aus und dürfen es ihnen im Interesse von Wachstum und mehr Arbeit nicht schwer machen. Wichtig ist also eine soziale Balance. Ziel muss sein, die Motivation derer, die mehr leisten können, nicht zu bremsen, denn nur dann sind wir auch in der Lage, die Menschen, die unsere Hilfe brauchen, zu unterstützen." (Bonner Anzeiger, 28.5.2008)
Siehe auch:
junge Welt, 27.5.2008
Bonner Anzeiger, 28.5.2008