georgien_raktenwerfer.jpgRambo auf russisch!

Berlin: Rambo gewinnt am Ende immer und steht auf der Seite des Guten. Im aktuellen Krieg in Georgien muss er wohl auf der russischen Seite gekämpft haben, denn die USA und NATO haben militärisch und moralisch den Kürzeren gezogen.
Militärisch gesehen ist der Fall klar. Die georgische Armee wurde durch Hunderte von amerikanischen Militärberatern, großzügigen Waffenlieferungen und gemeinsamen Manövern (das letzte mit etwa 1.000 ...


...  US-Soldaten endete einen Tag vor dem Angriff Georgiens auf Südossetien) auf einen modernen Stand gebracht. Politisch flankiert wurde der westliche Vorposten im Kaukasus durch den perspektivischen NATO-Beitritt. Zusammen mit hohen Rüstungsausgaben in den letzten Jahren fühlte sich der georgische Präsident Saakaschwili nun in die Lage versetzt, die abtrünnigen Gebiete in einem massiven Militärschlag handstreichartig zurück erobern zu können. Schließlich standen dort der hoch gerüsteten georgischen Armee nur ein paar hundert russische Friedenssoldaten sowie südossetische Kämpfer gegenüber. Nach den blitzartig neu geschaffenen Fakten - so sein Plan - sollte eine Reaktion Moskaus durch die Rückendeckung der USA und NATO verhindert werden. In der Realität jedoch platzten seine abenteuerlichen Träume innerhalb weniger Stunden durch die in Nordossetien rasch mobilisierte russische 58. Armee. Die Effektivität des Gegenschlags löste bei Saakaschwili eine solche Panik aus, dass er die russischen Truppen in seiner Wahnvorstellung in Tiflis einrücken sah. Der Westen ließ sich von der Hysterie anstecken und behauptete, Moskau wolle in Georgien einen gewaltsamen Regimewechsel herbeiführen. In seiner Not warf Saakaschwili den USA vor, zu „weich“ auf die „Aggression gegen Georgien“ reagiert zu haben (FAZ, 14.8.2008 und
n-tv). Präsident Bush versuchte daraufhin verzweifelt, ein Signal der Stärke zu geben. Er erteilte einem militärisch abgesicherten Schiffskonvoi mit Hilfsgütern den Befehl, Kurs auf Georgien zu nehmen und warnte Russland gleichzeitig davor, einen Versuch zu unternehmen, diesen zu stören. Daraus machte Saakaschwili umgehend die Nachricht, dass die US-Verbündeten die Absicherung georgischer Häfen übernehmen würden, was von Washington wiederum sofort dementiert wurde. Doch es kam noch schlimmer, denn die US-Schiffe hätten dazu kurzfristig den Bosporus durchqueren müssen und dazu benötigte man die Genehmigung der Türkei, welche ohne einen diplomatischen Schaden zu nehmen nicht ad hoc zu erzwingen war. Diese Anekdote verdeutlicht die Tatsache, dass es von den USA unklug war, den Kaukasus zu ihrem nationalen Interessengebiet zu erklären - eine Region, die Tausende von Meilen vom amerikanischen Kontinent entfernt und gleichzeitig an der Grenze Russlands liegt. Während dem amerikanischen Hilfskonvoi die Einfahrt ins schwarze Meer versperrt blieb, durchstöberten die russischen Soldaten in aller Ruhe die Waffendepots und Kasernen der georgischen Armee, sprengten Teile davon in die Luft, transportierten interessante Waffen aus amerikanischer Produktion ab oder nutzten erbeutete Militärfahrzeuge als Zielscheiben für spontane Schießübungen.

Doch die zögernde Reaktion der USA überrascht nicht. Denn im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan (auch Deutschland durchquert auf direktem Weg den russischen Luftraum, um seine Truppen am Hindukusch zu versorgen) und der amerikanischen Iranpolitik sind die USA darauf angewiesen, die Konfrontation mit Russland nicht auf die Spitze zu treiben. Von der energiepolitischen Abhängigkeit Europas gegenüber Russland einmal ganz abgesehen.
 
Auch moralisch war das Desaster nicht geringer. Die NATO-Staaten mussten sich von keinem geringeren als Friedensnobelpreisträger Michael Gorbatschow auf ihre „verlogene“ Argumentation hinweisen lassen: „Das georgische Militär nahm die südossetische Hauptstadt Zchinwali mit Mehrfach-Raketenwerfern unter Beschuss, die dafür konzipiert sind, ein Gebiet weiträumig zu verwüsten. Russland musste reagieren. Es deswegen der Aggression gegen das ‚kleine, wehrlose Georgien’ zu bezichtigen, ist nicht nur verlogen, sondern zeigt auch einen Mangel an Menschlichkeit.“ (
spiegel-online) Der Beschuss der südossetischen Hauptstadt durch Raketenwerfer ist inzwischen sogar von der georgischen Außenministerin zugegeben worden (junge welt). Nach offiziellen Angaben beider Seiten vom 20. August, starben 1.492 Zivilisten in Südossetien und 69 in Georgien (n-tv). Trotzdem, so Gorbatschow weiter, wurde „die humanitäre Katastrophe in den westlichen Medien kaum wahrgenommen“. Und wenn, dann vollkommen verzerrt nur als Leid im georgischen Kernland, verursacht durch den russischen Gegenangriff. Der Ausschnitt aus einer amerikanischen Live-Sendung zeigt, wie plump der Moderator versucht die Aussagen von zwei südossetischen Zivilisten zu unterdrücken:
 

Auch aus nüchterner Sicht von Seiten des Völkerrechts aus betrachtet, erscheint die Reaktion Russlands als Selbstverteidigung gerechtfertigt gewesen zu sein. Selbst der in den westlichen Medien häufig bemühte Begriff „unverhältnismäßig“ scheint in diesem Fall nicht recht zu passen. So jedenfalls die Sichtweise von Professor Daniel-Erasmus Khan, ein von Spiegel-Online interviewter Völkerrechtler aus München: „Dass Südossetien noch zu Georgien gehört, bedeutet nicht, dass Georgien mit allen Mitteln seine Gebietshoheit wiederherstellen durfte. Denn das völkerrechtliche Gewaltverbot gilt nicht nur zwischen Staaten, sondern schützt auch sogenannte lokale De-facto-Regime, wie das in Südossetien, vor Gewaltanwendung. Erst recht gilt das aber, wenn es ein förmliches Waffenstillstandsabkommen gibt.“ (
spiegel-online) Und das gab in diesem Fall. Der Völkerrechtler weiter: „Wenn es der Verteidigung dient, darf man sicher auch mal auf den militärischen Teil des Flughafens von Tiflis eine Bombe werfen, und man darf feindliche Streitkräfte auch mal auf ihrem eigenen Gebiet zurückdrängen, um sich zu schützen.“ Georgien hat nach dieser - plausibel erscheinenden - Ansicht nicht nur völkerrechtswidrig diesen Krieg begonnen, es hat mit der Zerstörung von Zchinwali wahrscheinlich auch ein Kriegsverbrechen mit Hunderten ziviler Opfer zu verantworten.
 
Doch auch aus einer übergeordneten Perspektive betrachtet, erscheint die Reaktion Russlands verständlich zu sein, meint jedenfalls eine ehemalige ARD-Korrespondentin aus Moskau, die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz: „Eingebettet in die geopolitische Lage blieb den Russen vermutlich nichts anderes übrig, als mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Auf eine andere, moderatere Sprache hat der Westen ja nicht reagiert: Die NATO-Osterweiterung wurde durchgezogen, obwohl es nachweislich feste Zusagen gab, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, wenn Moskau der NATO-Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands zustimmt.“ (
n-tv) Dazu kommt die Abtrennung des Kosovo von Serbien und das Raketenabwehrsystem der USA in Polen und Tschechien.
 
Zu guter letzt steht auch der Versuch auf tönernen Füßen, das Regime Saakaschwilis als leuchtendes Beispiel der Demokratie in der Region darzustellen. Krone-Schmalz dazu: „Es würde sich lohnen, einen Blick darauf zu werfen, wie autokratisch Saakaschwili Georgien tatsächlich regiert, wie er die Freiheit der Medien und die Unabhängigkeit der Justiz beschneidet, wie die Zufriedenheit der Georgier mit ihrem Präsidenten dramatisch nachgelassen hat und dass er seine Macht im Januar 2008 nur mit einer massiv manipulierten Präsidentschaftswahl sichern konnte.“ Dazu kommen noch die mit brutaler Polizeigewalt niedergeknüppelten Protestdemonstrationen im letzten Jahr. Außerdem ist die Frage berechtigt, wie viel demokratischer ein Berlusconi in Italien im Verhältnis zu einem Putin in Russland ist.
 
Fest steht nach dem Konflikt, dass die Zeit der monopolaren Welt entgültig vorbei ist. Russland ist auf die weltpolitische Bühne zurück gekehrt. Allerdings bleibt die Frage offen, wie besonnen die USA und die NATO darauf reagieren werden. Die baltischen Staaten und Polen fahren die aggressivste Linie gegenüber Moskau. Auf einer Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments in Brüssel verschaffte der polnische Vorsitzende der georgischen Außenministerin dort die Möglichkeit, eine Entsendung von europäischen Soldaten in das Konfliktgebiet gegen den Willen Russlands zu fordern. Ein Teilnehmer des Ausschusses wird von der Jungen Welt damit zitiert, dass man den Eindruck gewinnen könne, einige Teilnehmer würden sich auf „einen dritten Weltkrieg mit Russland“ einstellen (
junge welt). Auf jeden Fall scheint der Westen auch nach seiner Niederlage nicht bereit zu sein die russische Dominanz in der Region an zu erkennen. Er verstetigt die Konfrontation, indem er Russland permanent vorwürft, es halte sich nicht an den vom französischen Präsidenten Sarkozy ausgehandelten 6-Punkte-Plan. Erst ging dem Westen der Rückzug der russischen Soldaten nicht schnell genug, dann sollte die gebildete Pufferzone dem öffentlich nicht zugänglichen Abkommen widersprechen. Allerdings beruft sich die russische Seite dabei auf den Punkt 5 des ausgehandelten Abkommens, in dem neben dem Rückzug auf die Linien vor dem Konflikt, Russland auch ermächtigt wird „zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen, bis ein internationaler Mechanismus vereinbart ist“. In einem Brief an den georgischen Präsidenten hat Sarkozy diesen Passus sogar so konkretisiert, dass es dabei um eine Zone von „einigen Kilometern“ ginge (FAZ, 22.8.2008).
 
Inzwischen hat die Türkei der NATO erlaubt, mit mehreren Schiffen den Bosporus in Richtung Schwarzes Meer zu passieren. Darunter auch Kriegsschiffe aus Deutschland (Fregatte Lübeck), Polen und Spanien. "Die NATO verstärkt unter dem Vorwand der humanitären Hilfe ihre militärische Präsenz im Schwarzen Meer", sagte der russische Vize-Generalstabschef Anatoli Nogowizyn nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. "Das dient nicht dazu, die Lage in der Region zu stabilisieren." (
n-tv)


-> Kriegsausbruch im Kaukasus: Wahnsinn oder Strategie?


-> Südossetische Zivilisten berichten, wie sie den Überfall durch Georgien erlebten (junge welt, 20.11.08)