jumpyoufackersuo1.jpgKapitalismus kaputt aber 18% für die FDP!?

Berlin / 15.2.2009: „Das System ist nicht die Welt“ titelt der Leitartikel des Wahrschauers #56, der vor gut einem halben Jahr erschien. Nun ist der Kapitalismus kaputt und das System ist verunsichert. Die Halbwertszeit des Politikersprech hat sich auf wenige Tage reduziert: „Deutschland ist

gut aufgestellt“ und „jede Krise ist auch eine Chance“, aus der wir dann „gestärkt wieder hervorgehen“. Klar. Und anschließend handeln die geretteten Banken wieder Quatschpapiere mit Traumrenditen. In der nächsten Blase ist alles noch viel bunter und wir sind wieder gut drauf. Vielleicht ist die Staatsblase wirklich der nächste Trip, der flasht. Vielleicht aber auch der goldene Schuss…

Überhaupt fand das entspannte Kümmern um die Banken letztes Jahr statt. Da war die Krise noch abstrakt, und in Phase eins. Man konnte sich das Ganze noch unbeteiligt in seinem Fernsehsessel anschauen. Doch inzwischen befinden wir uns bereits mitten drin in Phase zwei: starke Schrumpfung der Gesamtwirtschaft. Jetzt kommen die Einschläge schon näher. Die Unternehmen versuchen den Umsatzeinbruch zu überstehen, indem sie sich klein machen und Arbeitsplätze abbauen. Das Problem setzt sich zwangsläufig bei denjenigen fest, die sich nicht aus dem Staub machen können: der Staat und seine Angehörigen. Also wir. Das ist dann Phase drei: die soziale und gesellschaftliche Krise. Und diese steht uns in diesem Jahr bevor. Die Zeitschrift Foreign Policy hat bereits eine Liste mit denjenigen Ländern veröffentlicht, für die Phase drei als erstes zu politischer Instabilität führen könnte. Darunter befinden sich neben der Ukraine oder Lettland auch Länder wie Griechenland oder Großbritannien. Das ist um die Ecke. Artikel über solche Horrorszenarien liest man jetzt nicht mehr nur in marxistischen Untergrundpostillen, sondern auch unter Überschriften wie z.B. „Die Krise hat erst begonnen“ bei Nils Minkmar in der FAZ. Hier heißt es sogar aufrührerisch: „Alle schauen zu, geduldig und nett, wie wir postmodernen Menschen heute sind. Es ist viel zu ruhig.“ Sogar dem amerikanischen Geheimdienst schwant böses. Er hält die Wirtschaftskrise inzwischen für gefährlicher als Al Kaida.

In Deutschland scheint die Bevölkerung von der Entwicklung wenig beeindruckt zu sein. Wie wäre es sonst zu erklären, dass im Superwahljahr in der Superkrise gerade die FDP in den Umfragen als einzige Partei massiv dazu gewinnt - in Prozent. Die Partei der der Deregulierung und der Besserverdienenden. Die Partei, die ideologisch die größte Schnittmenge mit dem Neoliberalismus hat, erhält mit dem alten Slogan „Weniger Steuern und mehr Freiheiten für die Tüchtigen“ den relativ größten Vertrauenszugewinn für die Zukunft. Was die obere Hälfte der Gesellschaft an den Börsen verspielt hat, will sie sich durch Steuersenkungen wieder holen. Ist dann der Staat fast Bankrott gegangen, werden - der Schuldenbremse sei dank - die Daumenschrauben über Sozialkürzungen für die untere Hälfte der Gesellschaft angezogen. Womit die gesellschaftliche und soziale Krise vorprogrammiert wäre. Ist der Kopf kaputt bei den Wählern? Nein, aber nur noch die oberen zweidrittel gehen zur Wahl. Und die Vermögenden und Diejenigen, die sich dafür halten, denken kurzfristig und nur an sich. Sie wechseln von der CDU zur FDP, weil sie glauben mit der marktradikalsten Partei ihre Pfründe am besten über die Krise retten zu können. Kleine Nebenbemerkung: Die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung war ein Grund dafür, dass die stark wachsenden Geldmengen nicht ökonomisiert werden konnten und sich dadurch Vermögensblasen bildeten. Diese Illusion soll jetzt verteidigt werden. Der Klassenkampf von Oben geht also weiter: "Besitzstandswahrung geht offenbar vor Solidarität. Und dieser Egoismus kommt der FDP zugute" (Die Zeit, 19.2.2008). Die Frage ist nur wann der Fehdehandschuh von der unteren Klasse aufgenommen wird…

Denn langfristig gesehen stellt sich die Frage, ob Unterschicht und untere Mittelschicht auch in der sozialen Krise dauerhaft vom klassischen Parteiensystem fern gehalten werden können. Wenn nicht, dann könnte dies der Beginn der Systemkrise sein.
Mit der Perestroika und dem "Kommunismus light" konnte jedenfalls der realexistierende Sozialimus nicht gerettet werden. Ob das System heute mit einem "Kapitalismus light" stabilisiert werden kann wird sich zeigen. Spätestens aber, wenn die Klimaveränderung die Lebensgrundlage für einen großen Teil der Erdbevölkerung zerstöhrt hat, werden viele dazu gezwungen werden den Überlebenskampf gegen das System auf zu nehmen. Denn: Wie kann ein Gesellschaftssystem länger legitimiert werden, das grundsätzlich nicht in der Lage dazu ist, uns und unsere Lebensgrundlage (vor uns selbst) zu schützen?


Weitere Artikel dazu im Netz:
"Die Wurzeln der Krise: Der Kapitalismus ruiniert sich selbst" von Friedrich Krotz (TAZ Dossier, 18.2.2009)
"Neue Klimadaten: Alles wird viel schlimmer" (n-tv, 15.2.2009)

Das Thema wurde in folgendem Artikel von uns weiter verfolgt:
"Massendemonstration in Dublin: We wont pay for the greed of the super rich!" (23.2.2009)