Autonome - Polizei 1:1!
Berlin / 05.5.2009: Eine Woche vor dem 1. Mai warnte die Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan vor einer explosiven Stimmung im Land. DGB-Chef Sommer redete sogar von sozialen Unruhen. Und in Berlin meinten die Sicherheitsexperten eine „deutlich höhere Gewaltbereitschaft“ ausgemacht zu haben. Ein Indiz dafür sei, so ein Oberstaatsanwalt zum Tagesspiegel, dass es vor einigen Wochen auf einer Hausbesetzerdemo einer entschlossenen Gruppe gelang, ein Polizeiauto umzustürzen. Ja, sapperlot! Da musste in Berlin vorsorglich wieder die Polizei in halber Divisionsstärke zusammengezogen werden. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits trainiert, viele Festnahmen in kurzer Zeit zu bewältigen. Die CDU wollte die revolutionären Trockenübungen gleich ganz verbieten. Also alles wie immer. Aber wieso soll es überhaupt soziale Unruhen geben? Wir können doch alle Ende September wählen (ha, ha!).
Wie auch immer: Die Demo "Für eine soziale Revolution" startete um 18 Uhr am Kottbusser Tor. Bemerkenswert war, dass es dort keine unmittelbare Polizeipräsenz oder Vorkontrollen gab. In den Internetforen der Szene, sowie in Aussagen von Polizisten in den Medien wurde nacher übereinstimment berichtet, dass der Schwarze Block kurz nach Beginn der Demo eine revolutionäre Duftmarke gesetzt, die Initiative ergriffen und in einer kollektiven Aktion die Polizei angegriffen hatte. Beim Passieren des Myfestes versprühte der Aufzug dann trotzdem keinen Elan. Die Polizei griff die Demo erst wieder an, als diese das Fest verlassen hatte. Danach wieder the same procedure as every year.
Dazu gehören auch die üblichen Blähungen in den Medien in den Tagen danach. In den "schwersten Ausschreitungen seit Jahren" (FAZ.net) wären die Polizisten von den Verantwortlichen „zur Steinigung freigegeben“ worden. So die populistische Formulierung der Polizeigewerkschaft. Liest man die Aussagen der Polizisten, dann wird deutlich, dass sich ihre Vorwürfe in erster Linie nicht an die politische Vorgabe der Deeskalation, sondern an die (bewußt?) dillethantische Taktik der Einsatzleitung richtete, die komplett darauf ausgerichtet war, bei Auschreitungen durch relativ kleine und bewegliche Greiftrupps (die in der Regel keine Schilder bei sich tragen) viele Festnahmen zu machen. Offensichtlich wurde deshalb auch komplett auf den Einsatz von Wasserwerfer verzichtet. Ein Hamburger Polizist: "Am Anfang waren wir noch motiviert. Doch das verflog schnell. Schon kurz nach der Ankunft in Berlin sahen wir die Wasserwerfer wieder abrücken. Die Berliner Einsatzführung wollte sie nicht. Wasserwerfer sind ein großer Rückhalt. Sie halten Krawallmacher auf Distanz." Ein Berliner Beamter zog die Bilanz: "Ich kann dieser Polizeiführung nicht loyal dienen. Sie hat es nicht verdient.“ (MoPo, 7.5.2009)
Trotzdem bezeichnete Berlins Polizeipräsident Glietsch die Deeskaltion auch nach dem diesjährigen ersten Mai als "alternativlos" und hat damit recht. Anders ist das Risiko eines Überschwappens der Auseinandersetzungen auf die zehntausenden Teilnehmer des Myfestes nicht zu minimieren. Wer sich einseitig Sorgen um die Polizisten macht, sollte also wenigstens die für die taktische Umsetzung verantwortliche Polizeiführung kritisieren. Um die Verletzten Demonstranten sorgt sich in den Massenmedien traditionell sowieso niemand. Sie werden noch nichteinmal statistisch erfasst. Eben same procedure as every year.
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