Wann kommt der William Wallace der Verdammten?
Berlin / 29.9.2009: Wir haben es nicht so gewollt. Wäre es nach dem WAHRSCHAUER-Online-Leser gegangen, wäre Lafontaine mit einer absoluten Mehrheit der Linken der neue Hugo Chávez in unserem Land geworden. Das jedenfalls hat unser Voting ergeben, an dem immerhin über 300 Leute teilgenommen haben. Auch, dass Rapper Sido die Linkspartei gewählt hat, hat nichts genützt.
Jetzt haben wir den Salat: Ball Paradox in der Bundesrepublik! Der größten Weltwirtschaftskrise seit einem dreiviertel Jahrhundert zum Trotz, ausgelöst durch entregulierte und globalisierte Finanzmärkte, gewinnt die Partei die Bundetagswahl, die am meisten der neoliberalen Ideologie verhaftet ist. Obwohl die Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land immer ungleicher wird, triumphiert die Partei der Besserverdienenden. Obwohl die überwältigende Mehrheit von 85 % der Deutschen gemäß einer aktuellen DGB-Umfrage für Mindestlöhne sind, gewinnt jetzt die Koalition, die am meisten dagegen ist. Obwohl die übergroße Mehrheit der Bevölkerung sich für eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien ausspricht, gewinnt die Koalition der Privatisierungsideologen (Stern-Umfrage). Obwohl je nach Umfrage zwischen 50 und 90% für einen Ausstieg aus der Kernenergie sind, wird es mit der neuen Regierung eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke geben. Diese Liste lässt sich noch mit anderen konkreten Sachthemen, wie z.B. der Rente mit 67, fortführen. Aber halt, da war doch was: Das Versprechen der FDP die Steuern zu senken. Jeder, der Lohnsteuer zahlt, will mehr netto vom brutto. Weniger Steuern heißt aber weniger Umverteilung. Und trotzdem wollen die Deutschen gleichzeitig eine höhere soziale Sicherheit.
Ist die Wahl also gefälscht worden oder die Wähler schizophren? Der von Guido Westerwelle in der „Elephantenrunde“ geäußerte Quatsch, die Mehrheit der Deutschen hätte diese Koalition gewählt, gibt einen ersten Hinweis auf die Antwort. In Wirklichkeit steht mit 48,4 % hinter der Koalition noch nicht einmal eine absolute Mehrheit der Wähler. Von den Wahlberechtigten ganz zu schweigen! Von ihnen hat durch die historisch niedrige Wahlbeteiligung lediglich ein Drittel für die CDU/CSU und FDP gestimmt. Der Grund für das Zustandekommen einer bürgerlichen Regierung gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit ist im historischen Verrat der SPD zu suchen. Eigentlich ist es im übertragenden Sinn ein größerer Verrat gewesen, als der, den die schottischen Adligen im Film Brave Heart an ihren eigenen Untertanen begangen hatten, als sie vom Schlachtfeld abzogen und die schottische Bauernarmee dem Gemetzel des englischen Heeres auslieferten.
Zur Erinnerung hier der entsprechende Filmausschnitt ;-)
Nein, die sozialdemokratische Führung hat selbst Hand angelegt und mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen einen Teil ihrer eigenen Wählerklientel sozial hingerichtet. Durch Arbeitszwang, Schikanen im Jobcenter, Ausdehnung der Leiharbeit und Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat sie die menschenunwürdigen Lohnniveaus in vielen Branchen selbst zu verantworten, wie den von Detlef Wittkowski, der für 41 Stunden in der Woche einen Monatslohn von 966 Euro brutto erhält (TAZ). Wer von einem Job im Sicherheitsgewerbe allein überleben will, muss 12 Stundenschichten in einer Sechstagewoche schieben. Soziale Kontakte, Verreisen, eine ausreichende Rente, eine Beziehung, geschweige denn eine Familie sind unmöglich. Soll ein Mensch, der durch die Verhältnisse lebendig begraben wurde, noch einmal die SPD wählen? Viele von ihnen haben komplett resigniert und sind zu Hause geblieben. Die SPD hat aktuell mit knapp zwei Millionen an die Nichtwähler am meisten verloren. Seit 1998 gingen ihr sage und schreibe 10 Millionen Wähler flöten.
Die Armen gehen seltener wählen, das wurde jetzt flächendeckend in einer wissenschaftlichen Studie belegt (n-tv). Diese Menschen glauben nach dem Verrat der SPD nicht mehr daran, dass eine der etablierten Parteien sich um ihre Interessen kümmert. Und die Linke konnte nur einen Teil dieser Stimmen einsammeln. Durch die wachsende Hoffnungslosigkeit der unteren Klasse und der daraus resultierenden Wahlenthaltung wurden die Stimmen des bürgerlichen Lagers relativ aufgewertet. Die Gesellschaft ist also aus dieser Perspektive tatsächlich schizophren, weil über das gesunde Maß tief gespalten.
Retten kann sich die SPD nur durch einen kompletten personellen Wechsel und einen Schulterschluss mit der Linken. Das bedeutet den Kniefall vor Lafontaine und das ist der Preis für den jahrelangen Kadavergehorsam, den die Partei gegenüber der eigenen Führungsriege der Verräter praktiziert hat. Und die Grünen? Auch sie müssen sich jetzt entscheiden. Einer ihrer Vordenker, Prof. Franz Josef Radermacher, formulierte die möglichen Zukunftsszenarien so: Entweder „die Herrschaft weniger Reiche über eine verarmte, ungebildete und machtlose Masse“ (der Weg mit Schwarz-Gelb) oder „eine ökosoziale Marktwirtschaft, in der durch sozialen Ausgleich (..) eine lebenswerte Welt für bis zu 10 Milliarden Menschen möglich ist“ (diese Chance gibt es nur mit Rot-Rot). Mit dieser Wahl ist das dumme Gerede von der "neuen Mitte" Geschichte. Durch diesen Wahlausgang besteht die Chance, dass es durch die Lagerbildung bald wieder die Wahl zwischen zwei gesellschaftlichen Visionen gibt. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Thüringen und im Saarland werden einen ersten Hinweis auf diese Entwicklung geben. In Thüringen hat sich die SPD aber inzwischen trotzdem für die CDU entschieden und damit so getan, als hätte die Bundetagswahl nicht stattgefunden. Manchmal ist es nicht so einfach die Realität an zu erkennen ...
Wer zunächst die Gewinner nach dieser Wahl sind, zeigte die Börse am nächsten Tag. Der Dax feierte den Sieg der unternehmerfreundlichen Koalition mit einem Kursfeuerwerk. Insbesondere die Stromversorger und Kernkraftwerksbetreiber RWE und EON lagen an der Spitze der Gewinnerliste und hoffen durch die Laufzeitverlängerung auf zusätzliche Milliardengewinne. Das Risiko für diese Extraprofite tragen wir alle mit unserer Gesundheit. Arbeitgeberpräsident Hundt verlangte umgehend von der sich neu bildenden Regierung weitere Einschnitte in das soziale Sicherungssystem. Bereits 17 Stunden nach Schließung der Wahllokale stellten Wirtschaftslobbyisten im Saal der Bundespressekonferenz ihr Regierungsprogramm "Koalitionsvertrag für den Aufschwung" vor: Steuern runter, Bürokratie abbauen und Kündigungsschutz kippen.
Trotzdem ist eines sicher. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Harmonie wird nie enden. Irgendwann werden wir diese Entwicklung aufhalten:
Und bis dahin hat das Wahlergebnis wenigstens noch einen weiteren positiven Aspekt. Spaßguido wird uns die politischen Schmerzen mit seinen schrillen Knallkopfauftritten versüßen. Gleich bei der ersten Pressekonferenz gab er einen zum Besten:
Berlin / 29.9.2009: Wir haben es nicht so gewollt. Wäre es nach dem WAHRSCHAUER-Online-Leser gegangen, wäre Lafontaine mit einer absoluten Mehrheit der Linken der neue Hugo Chávez in unserem Land geworden. Das jedenfalls hat unser Voting ergeben, an dem immerhin über 300 Leute teilgenommen haben. Auch, dass Rapper Sido die Linkspartei gewählt hat, hat nichts genützt.
Jetzt haben wir den Salat: Ball Paradox in der Bundesrepublik! Der größten Weltwirtschaftskrise seit einem dreiviertel Jahrhundert zum Trotz, ausgelöst durch entregulierte und globalisierte Finanzmärkte, gewinnt die Partei die Bundetagswahl, die am meisten der neoliberalen Ideologie verhaftet ist. Obwohl die Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land immer ungleicher wird, triumphiert die Partei der Besserverdienenden. Obwohl die überwältigende Mehrheit von 85 % der Deutschen gemäß einer aktuellen DGB-Umfrage für Mindestlöhne sind, gewinnt jetzt die Koalition, die am meisten dagegen ist. Obwohl die übergroße Mehrheit der Bevölkerung sich für eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien ausspricht, gewinnt die Koalition der Privatisierungsideologen (Stern-Umfrage). Obwohl je nach Umfrage zwischen 50 und 90% für einen Ausstieg aus der Kernenergie sind, wird es mit der neuen Regierung eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke geben. Diese Liste lässt sich noch mit anderen konkreten Sachthemen, wie z.B. der Rente mit 67, fortführen. Aber halt, da war doch was: Das Versprechen der FDP die Steuern zu senken. Jeder, der Lohnsteuer zahlt, will mehr netto vom brutto. Weniger Steuern heißt aber weniger Umverteilung. Und trotzdem wollen die Deutschen gleichzeitig eine höhere soziale Sicherheit.
Ist die Wahl also gefälscht worden oder die Wähler schizophren? Der von Guido Westerwelle in der „Elephantenrunde“ geäußerte Quatsch, die Mehrheit der Deutschen hätte diese Koalition gewählt, gibt einen ersten Hinweis auf die Antwort. In Wirklichkeit steht mit 48,4 % hinter der Koalition noch nicht einmal eine absolute Mehrheit der Wähler. Von den Wahlberechtigten ganz zu schweigen! Von ihnen hat durch die historisch niedrige Wahlbeteiligung lediglich ein Drittel für die CDU/CSU und FDP gestimmt. Der Grund für das Zustandekommen einer bürgerlichen Regierung gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit ist im historischen Verrat der SPD zu suchen. Eigentlich ist es im übertragenden Sinn ein größerer Verrat gewesen, als der, den die schottischen Adligen im Film Brave Heart an ihren eigenen Untertanen begangen hatten, als sie vom Schlachtfeld abzogen und die schottische Bauernarmee dem Gemetzel des englischen Heeres auslieferten.
Zur Erinnerung hier der entsprechende Filmausschnitt ;-)
Nein, die sozialdemokratische Führung hat selbst Hand angelegt und mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen einen Teil ihrer eigenen Wählerklientel sozial hingerichtet. Durch Arbeitszwang, Schikanen im Jobcenter, Ausdehnung der Leiharbeit und Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat sie die menschenunwürdigen Lohnniveaus in vielen Branchen selbst zu verantworten, wie den von Detlef Wittkowski, der für 41 Stunden in der Woche einen Monatslohn von 966 Euro brutto erhält (TAZ). Wer von einem Job im Sicherheitsgewerbe allein überleben will, muss 12 Stundenschichten in einer Sechstagewoche schieben. Soziale Kontakte, Verreisen, eine ausreichende Rente, eine Beziehung, geschweige denn eine Familie sind unmöglich. Soll ein Mensch, der durch die Verhältnisse lebendig begraben wurde, noch einmal die SPD wählen? Viele von ihnen haben komplett resigniert und sind zu Hause geblieben. Die SPD hat aktuell mit knapp zwei Millionen an die Nichtwähler am meisten verloren. Seit 1998 gingen ihr sage und schreibe 10 Millionen Wähler flöten.
Die Armen gehen seltener wählen, das wurde jetzt flächendeckend in einer wissenschaftlichen Studie belegt (n-tv). Diese Menschen glauben nach dem Verrat der SPD nicht mehr daran, dass eine der etablierten Parteien sich um ihre Interessen kümmert. Und die Linke konnte nur einen Teil dieser Stimmen einsammeln. Durch die wachsende Hoffnungslosigkeit der unteren Klasse und der daraus resultierenden Wahlenthaltung wurden die Stimmen des bürgerlichen Lagers relativ aufgewertet. Die Gesellschaft ist also aus dieser Perspektive tatsächlich schizophren, weil über das gesunde Maß tief gespalten.
Retten kann sich die SPD nur durch einen kompletten personellen Wechsel und einen Schulterschluss mit der Linken. Das bedeutet den Kniefall vor Lafontaine und das ist der Preis für den jahrelangen Kadavergehorsam, den die Partei gegenüber der eigenen Führungsriege der Verräter praktiziert hat. Und die Grünen? Auch sie müssen sich jetzt entscheiden. Einer ihrer Vordenker, Prof. Franz Josef Radermacher, formulierte die möglichen Zukunftsszenarien so: Entweder „die Herrschaft weniger Reiche über eine verarmte, ungebildete und machtlose Masse“ (der Weg mit Schwarz-Gelb) oder „eine ökosoziale Marktwirtschaft, in der durch sozialen Ausgleich (..) eine lebenswerte Welt für bis zu 10 Milliarden Menschen möglich ist“ (diese Chance gibt es nur mit Rot-Rot). Mit dieser Wahl ist das dumme Gerede von der "neuen Mitte" Geschichte. Durch diesen Wahlausgang besteht die Chance, dass es durch die Lagerbildung bald wieder die Wahl zwischen zwei gesellschaftlichen Visionen gibt. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Thüringen und im Saarland werden einen ersten Hinweis auf diese Entwicklung geben. In Thüringen hat sich die SPD aber inzwischen trotzdem für die CDU entschieden und damit so getan, als hätte die Bundetagswahl nicht stattgefunden. Manchmal ist es nicht so einfach die Realität an zu erkennen ...
Wer zunächst die Gewinner nach dieser Wahl sind, zeigte die Börse am nächsten Tag. Der Dax feierte den Sieg der unternehmerfreundlichen Koalition mit einem Kursfeuerwerk. Insbesondere die Stromversorger und Kernkraftwerksbetreiber RWE und EON lagen an der Spitze der Gewinnerliste und hoffen durch die Laufzeitverlängerung auf zusätzliche Milliardengewinne. Das Risiko für diese Extraprofite tragen wir alle mit unserer Gesundheit. Arbeitgeberpräsident Hundt verlangte umgehend von der sich neu bildenden Regierung weitere Einschnitte in das soziale Sicherungssystem. Bereits 17 Stunden nach Schließung der Wahllokale stellten Wirtschaftslobbyisten im Saal der Bundespressekonferenz ihr Regierungsprogramm "Koalitionsvertrag für den Aufschwung" vor: Steuern runter, Bürokratie abbauen und Kündigungsschutz kippen.
Trotzdem ist eines sicher. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Harmonie wird nie enden. Irgendwann werden wir diese Entwicklung aufhalten:
Und bis dahin hat das Wahlergebnis wenigstens noch einen weiteren positiven Aspekt. Spaßguido wird uns die politischen Schmerzen mit seinen schrillen Knallkopfauftritten versüßen. Gleich bei der ersten Pressekonferenz gab er einen zum Besten: