Zapatistas erwarten Angriffe
Chiapas: EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos erklärte am 16. Dezember 2007, dass die Zapatistas lange Zeit nicht an Aktivitäten außerhalb ihres Gebiets teilnehmen könnten, da sie sich auf Aggressionen der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. paramilitärischer Gruppen vorbereiteten: „Unsere compañeros werden zur Zeit angegriffen, wie schon lange nicht mehr. Dies ist schon zuvor passiert, das ist richtig. Aber es ist das erste Mal seit Januar 1994, dass die soziale Antwort - national wie international - so gering oder gleich null war“. Diese harte Kritik an der ausbleibenden gesellschaftlichen Reaktion hat viel mit den Debatten um die Wahl von 2006 zwischen der parteigebundenen und der außerparlamentarischen Linken in Mexiko zu tun. Die „Andere Kampagne“, eine außerparlamentarische Mobilisierung, die auf Vorschlag der Zapatistas in einem mehrjährigen Prozess eine neue, antikapitalistische Verfassung für Mexiko durchsetzen will (ausführlicher Artikel in Wahrschauer #55), konnte sich nicht dazu durchringen, die Kandidatur des sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador zu unterstützen. In den Augen der EZLN und der „Anderen Kampagne“ steht auch er für die Fortführung des neoliberalen und repressiven Projektes, mit dem die Eliten sich seit Jahrzehten ihre Privilegien sichern. Sein Team strotzte vor Männern, die in brutale Repression gegen soziale Bewegungen, aggressive Privatisierungsprozesse und Korruption verstrickt waren. Die „Andere Kampagne“ rief - entgegen der immer wieder geäußerten Vorwürfe -explizit nicht zum Wahlboykott auf, betonte aber, dass es wichtiger sei, sich im Alltag außerhalb der korrupten Parteien Mexikos zu organisieren. Viele linksliberale Intellektuelle und Medien wandten sich seitdem von den Zapatistas ab. Nicht wenige Linksliberale machten die EZLN für den - definitiv durch Betrug erschwindelten - „Wahlsieg“ des rechtskonservativen Felipe Calderón verantwortlich; ein absurder Vorwurf, wie sich später herausstellte. Für einige VertreterInnen der institutionellen Linken war der Zapatismus solange interessant und akzeptabel, wie er sich im indigenen Gebiet von Chiapas und somit außerhalb ihres Machtbereichs abspielte. Aber mit der „Anderen Kampagne“ konnten die Zapatistas auch außerhalb von Chiapas die unmenschlichen Zustände und darunter auch ihre „links-lackierten“ Profiteure anprangern - und dies tangierte auch die sozialdemokratischen Regierungen in einigen Bundesstaaten, die sich im Prinzip mit dem Neoliberalismus arrangiert haben. Die antizapatistischen Kräfte in Chiapas sind derzeit so gut aufgestellt, wie seit 10 Jahren nicht mehr. In vier von fünf Einflusszonen der EZLN ist die regierungsnahe „Organisation zur Verteidigung der indigenen und bäuerlichen Rechte“ OPDDIC aktiv, die auch über paramilitärische Kräfte verfügt. Besonders delikat ist die Tatsache, dass die OPDDIC Kontakte bis in höhere Polizeikreise und ins Ministerium für Landreform pflegt. Auch in der fünften Einflusszone um La Realidad gibt es Aggression gegen zapatistische Gemeinden. Darüber hinaus hat Gouverneur Juan Sabines mit dem deutschstämmigen Constantino Kanter einen einflussreichen Großgrundbesitzer und erklärten Antizapatisten in sein Kabinett berufen, für den es laut EZLN ein leichtes sei, Gelder zu paramilitärischen Gruppen umzuleiten. Es ist das Ziel, so den Zapatistas das 1994 besetzte Land zu entreißen, die Bewegung zu schwächen und das Eindringen von Konzernen in die ressourcenreiche Region zu ermöglichen. Als Reaktion auf die Repression gab es am 22. Dezember Solidaritätsdemonstrationen in sechs Bundesstaaten Mexikos, sowie internationale Aktionen u.a. in Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland. Die zapatistische Bewegung mag außerhalb von Chiapas im Moment nicht besonders stark erscheinen, in Chiapas aber bleibt sie von großer Bedeutung. Auf mexikoweiter Ebene wurden die Zapatistas schon mehrmals „totgesagt“ - und tauchten immer wieder auf. Marcos kritisierte in seiner aktuellen Erklärung auch die Medien, die nur berichteten, wenn es Tote gäbe. Er unterstrich, dass die Zapatistas sich weiterhin auf zivile Weise für eine neue antikapitalistische Verfassung einsetzen würden.
(Chiapas, 27.12.2007)
Dieser Online-Artikel ist eine Ergänzung zur ausführlichen Analyse der Situation in Chiapas, die im aktuellen Wahrschauer #55 abgedruckt wurde.
Chiapas: EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos erklärte am 16. Dezember 2007, dass die Zapatistas lange Zeit nicht an Aktivitäten außerhalb ihres Gebiets teilnehmen könnten, da sie sich auf Aggressionen der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. paramilitärischer Gruppen vorbereiteten: „Unsere compañeros werden zur Zeit angegriffen, wie schon lange nicht mehr. Dies ist schon zuvor passiert, das ist richtig. Aber es ist das erste Mal seit Januar 1994, dass die soziale Antwort - national wie international - so gering oder gleich null war“. Diese harte Kritik an der ausbleibenden gesellschaftlichen Reaktion hat viel mit den Debatten um die Wahl von 2006 zwischen der parteigebundenen und der außerparlamentarischen Linken in Mexiko zu tun. Die „Andere Kampagne“, eine außerparlamentarische Mobilisierung, die auf Vorschlag der Zapatistas in einem mehrjährigen Prozess eine neue, antikapitalistische Verfassung für Mexiko durchsetzen will (ausführlicher Artikel in Wahrschauer #55), konnte sich nicht dazu durchringen, die Kandidatur des sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador zu unterstützen. In den Augen der EZLN und der „Anderen Kampagne“ steht auch er für die Fortführung des neoliberalen und repressiven Projektes, mit dem die Eliten sich seit Jahrzehten ihre Privilegien sichern. Sein Team strotzte vor Männern, die in brutale Repression gegen soziale Bewegungen, aggressive Privatisierungsprozesse und Korruption verstrickt waren. Die „Andere Kampagne“ rief - entgegen der immer wieder geäußerten Vorwürfe -explizit nicht zum Wahlboykott auf, betonte aber, dass es wichtiger sei, sich im Alltag außerhalb der korrupten Parteien Mexikos zu organisieren. Viele linksliberale Intellektuelle und Medien wandten sich seitdem von den Zapatistas ab. Nicht wenige Linksliberale machten die EZLN für den - definitiv durch Betrug erschwindelten - „Wahlsieg“ des rechtskonservativen Felipe Calderón verantwortlich; ein absurder Vorwurf, wie sich später herausstellte.
(Chiapas, 27.12.2007)
Dieser Online-Artikel ist eine Ergänzung zur ausführlichen Analyse der Situation in Chiapas, die im aktuellen Wahrschauer #55 abgedruckt wurde.