Fred Alpi, ehemaliges Mitglied der Anarchopunkband BRGADA FLORES MAGON und heute Sänger und Gitarrist der ANGRY CATS: Gegen den modern daherkommenden Front National hat die französische Linke keine überzeugende Strategie.
KPF: Fred, Du warst und bist in libertären Zusammenhängen in Frankreich engagiert. Wir haben uns ja vor fünf Jahren beim Festival der anarchosyndikalistischen CNT-Zeitschrift LE COMBAT SYNDICALISTE kennengelernt. Mit Schrecken verfolgen wir hier, dass der Front National bei den Wahlen stark zugelegt hat und demgegenüber die Linke einen sehr desolaten und zersplitterten Eindruck macht. Wie siehst Du das?
Fred Alpi: Es ist leider so, dass linke Organisationen, egal ob sie sich an den Wahlen beteiligen oder nicht, also auch die anarchistischen, keine Antworten auf existentielle Fragen haben, welche die Menschen bewegen. Das sind nicht nur ökonomische Probleme, auf die die Linke sowieso keine Antworten hat. Denn die Linke sagt da nur, die ökonomischen Probleme sind die Konsequenzen des Neoliberalismus. Ja und? Zu den Problemen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie argumentieren linke Organisationen recht ärmlich, besonders wenn es darum geht, konkret etwas zu tun. Da wird dann von vielen gesagt, der Klassenkampf wird alles lösen…
Der Faschismus kommt aus drei Richtungen. Erstens aus der ökonomischen. Da geht es um das Absenken der Löhne. Dann soll zweitens die Frauenemanzipation zurückgedreht werden. Also die Frauen sollen wieder zu Hause bleiben und nicht die gleichen Rechte wie die Männer haben. Und drittens argumentiert der Front National auch immer etwas rassistisch.
Die Linke ist immer noch auf dem Stand der achtziger Jahre und hat auch keinen Kontakt zu den Menschen, die jetzt in Schwierigkeiten stecken. Es reicht auch nicht aus, immer nur gegen etwas zu sein. Zudem beklagen sich feministische Organisationen darüber, dass sie mit linken Organisationen nicht zusammenarbeiten können. Die Linke hat die gender studys auch erst für sich als Thema entdeckt, seit die Rechten dagegen Demonstrationen machen.
KPF: Stimmt eigentlich mein Eindruck, dass der Front National im Auftreten sehr modern und ästhetisch zeitgemäß rüberkommt und nicht mehr so plump, wie das noch der Fall war, als Jean Marie Le Pen die Partei anführte. Seine Tochter Marine Le Pen tut ja alles, um sich nicht in die antisemitische und rassistische Ecke drängen zu lassen?
Fred: Die Rechtsextremen haben seit dreißig Jahren wirklich sehr hart an ihren politischen Konzepten gearbeitet. Die haben Think-tanks, in denen programmatisch sehr effektiv gearbeitet wird. Das betrifft Fragen zu nationaler Identität, auch dass sie sagen, oh non, wir sind nicht rassistisch, wir sind nur für verschiedene Kulturen, die sich nicht mischen sollten. Und diese Vorstellungen finden auch Resonanz in den klassischen konservativen Parteien und sogar in der sozialdemokratischen Parti Socialiste. Alle klassischen französischen Parteien vertreten jetzt letztendlich Positionen des Front National.
Seit ungefähr zehn Jahren nutzen sie sehr intelligent und effektiv die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter. Und die Linken und Anarchisten sagen ja immer noch, dass Facebook und Twitter als Instrumente des Kapitalismus abzulehnen seien. Sie haben noch immer nicht verstanden, dass diese Netzwerke auch Plattformen sein können, um Leute zu treffen. Also brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sehr viele junge Leute den FN wählen, weil sie via Internet von denen erreicht werden. Für viele junge Menschen sind die sozialen Netzwerke der einzige Kontakt zur Politik. Und die Rechtsextremen stellen sich in diesen ja dar als ‚echte Rebellen‘ und als diejenigen, die gegen das System sind.“