Behnkenhagen/25.-27.7.2008: Es war mal wieder soweit: Wie jedes Jahr am letzten Wochenende im Juli zogen Punker aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich nach Benkenhagen bei Rostock. Sogar Schweden, Polen und auch Letten waren dieses Jahr zum Force Attack angereist.
In den letzten Jahren waren die meisten Besucher bereits am Donnerstag eingetroffen, so auch dieses Jahr. Unsere Hinfahrt lief problemlos und auch das Nadelöhr auf der Bundesstraße war dieses Jahr nicht so schlimm wie in den letzten Jahren. Ja, sogar die Freunde in grün waren nicht dort, wo sie immer standen. Kurz vor dem Festivalgelände schnitt uns zwar ein Polizeiwagen und nahm uns damit ziemlich fies die Vorfahrt, das war es aber auch.
Einige Biere später ging es zu THE BUSINESS an die Hauptbühne. Der Innenraum wirkte dieses Jahr größer als die Jahre davor, was sehr angenehm war, denn bei 15.000 Punks wurde der Platz in den letzten Jahren doch recht eng...
THE POKES verpasste ich, und von ANTI NOWHERE LEAGUE sah ich nur die letzten Songs, diese klangen aber sehr gut. Das nächste Highlight war C.O.R. um 21.30 Uhr auf der Zeltbühne. Die Trashmetal-Hardcore-Punkrockband hat sich in den letzten beiden Jahren durch Ehrlichkeit, Spielfreude und sehr viel Engagement in viele Punker–, Skin - und Hardcoreherzen gespielt. Im Zelt vor der Bühne war es entsprechend voll, dadurch war es schwierig, noch mit hinein zu kommen. Drinnen erwartete uns ein harter, aber fairer Pogo sowie ein Klima, welches aufgrund der Tagestemperaturen von 30 Grad Sauna Verhältnissn gleich kam. Sänger Friedemann und seine Band gaben alles. Nach 45 Minuten waren die Musikerbestimmt genauso fertig wie ihr Publikum. Es waren schlichtweg wahnsinnige 45 Minuten. C.O.R. werden immer besser und finden auch immer mehr Fans.
Auf der Hauptbühne gab anschließend die Berliner Band KNORKATOR einen ihrer letzten Konzerte. Viele Fans waren vor der Bühne und feierten die Combo als gäbe es kein Morgen... Was ja auch stimmte, denn KNORKATOR lösen sich dieses Jahr auf.
Sänger Wölfi war super drauf und zog sich wieder komplett aus.
Die letzten drei Bands versprachen Musik vom Allerfeinsten. Den Anfang machte die Punkabilly Band HEARTBREAK ENGINES. Im Zelt wurde das Gaspedal voll durchgetreten. Die Band zeigte, dass sie nicht umsonst zu einer der besten Punkabilly Bands zählt. Hochmelodisch, Hochgeschwindigkeit und feinste musikalische Kunst. Eine Band, die wirklich begeistert!
Um Mitternacht betrat dann diejenige Combo die Bühne, auf die an diesem Abend die Mehrheit gewartet hatte: Die mächtigen KASSIERER. Schon vor dem Auftritt gab es Sprechchöre, und kaum standen sie auf der Bühne, gab es kein halten mehr. Die Band hatte sichtlich Spaß auf der Bühne. Sänger Wölfi war super drauf und zog sich wieder komplett aus. In den folgenden 75 Minuten gab es Songs wie “Blumenkohl am Pillemann“ oder “Ich töte meinen Nachbarn und verprügel seine Leiche“. Keine Diskussion, ob die KASSIERER nun Sexisten, Punker oder einfach nur krank sind. Fest steht: Sie machen Kunst. Und diese Kunst gefiel dem Publikum, welches die Band schlichtweg einfach nur abfeierte.
Gegen 01.15 Uhr gab es ein weiteres Highlight, AL & THE BLACK CATS. Diese Band hat sich schon seit längerem durch ausgiebiges Touren einen Namen gemacht. Mit ihrer Musik schlagen sie eine Brücke zwischen altem Rockabilly sowie Punkrock und Psychobilly der Neuzeit und setzen dies perfekt um. Technisch großartig und abwechslungsreich zog die Band nicht nur ihre Fans in ihren Bann. Trotz der vorgerückten Stunde waren noch einige Leute im Zelt, die die Band sicher noch nie gesehen hatten. Das Faszinierende an AL & THE BLACK CATS ist, dass die Bandmitglieder noch recht jung sind und trotzdem (dank des alten Haudegens AL) perfekt Rockabilly à la STRAY CATS mit Punkrock und Psychobilly - wie ihn MAD SIN oder auch HEARTBREAK ENGINES spielen - mischen. Eindeutig eine Band, die es lohnt, anzusehen!
Gegen 02.00 Uhr waren AL & THE BLACK CATS fertig mit ihrem Set. Der Abend klang mit Bier bei Freunden im Zelt aus.
Der nächste Tag brach viel zu schnell an. Wenig, aber gut geschlafen entschieden wir uns nach dem Aufstehen, dass es gen Ostsee gehen sollte. Also ab ins Auto… und ab in den Stau. Gegen Mittag war es schon richtig knackend heiß, und Stau kann mit der Zeit aggressiv machen. Halb Mecklenburg Vorpommern wollte an diesem Wochenende an die Ostsee und auf den Darß. Die Straßen waren hoffnungslos überfüllt. Es war ein einziger Stau. Nach kurzer Überlegung entschieden wir uns, den Strand von Warnemünde unsicher zu machen, der in der anderen Richtung lag. Nur weg vom Stau. Und tatsächlich - bis kurz vor Warnemünde kamen wir gut durch. In Warnemünde sogar noch einen bezahlbaren Parkplatz gefunden und ab an den Strand. Die kühle Ostsee war eine willkommene Abwechslung an diesem heißen Tag. Auf der Rückfahrt machten wir in Rostock Lichtenhagen kurz Rast. Ja, genau, in dem Stadtteil von Rostock, wo vor Jahren Ausländer brannten und Deutsche applaudierten. Die Trostlosigkeit der Plattenbauten ist auch heute kaum besser. Dort möchte ich nicht tot über´m Zaun hängen. Ganz übel...
Wieder auf dem Festivalgelände angekommen bekamen wir noch die letzten Klänge von EMSCHERKURVE 77 mit. Netter Ruhrpottpunkrock. Da macht man nix falsch, wird allerdings auch kaum überrascht.
Um für den Abend wieder fit zu sein, nahmen wir eine Pause und genossen Fleisch und Bier zum Abendessen. Manchmal braucht es nicht viel zum Glücklichsein.
Zu bester Abendzeit betraten um 21.30 Uhr auf der Zeltbühne THE BOTTROPS die Bühne. Die Band, die aus zwei Mitgliedern der TERRORGRUPPE besteht, sah am Anfang sichtlich nervös aus. Kein Wunder - war das Zelt doch sehr voll, und das Publikum vom ersten Ton an hellauf begeistert. Sie spielten viele Songs von ihrem Debutalbum, wie z.B. “Hochhausgirl“ oder “Kleingarten BRD“, aber auch Songs der TERRORGRUPPE, wie “Namen vergessen“ oder das legendäre “OPA“. Bei diesen Songs gab es kein Halten mehr. Pogo und Begeisterung pur. Ein toller Auftritt der Band, die von ihrem Publikum frenetisch gefeiert wurde.
THE TURBO AC´S hatten es auf der Zeltbühne nach so vielen Bands schwer. Die meisten Leute verschnauften und taten was für den Flüssigkeitshaushalt. Schade, dass Ausruhen gerade dann angesagt war, als eine Band rockte, die an diesem Abend alles toppen sollte.
DRITTE WAHL spielten einen Jubiläumsgig, denn sie existieren seit nunmehr 20 Jahren. An solchen Zahlen sieht man wie schnell die Zeit vergeht. Gunnar, Gitarrist und Sänger, lief mir kurz vor dem Auftritt über den Weg. Gut gekleidet in Hemd und Krawatte und sehr nervös, sehnte er den Auftritt herbei. Mindestens geschätzte 10.000 Fans sahen sich DRITTE WAHL an. Vor dem Konzert konnte man seine 20 besten DRITTE WAHL Songs der Band mitteilen, und aus denen, die am meisten gewünscht wurden, wurde die Setliste gebastelt. Womit es ein absolutes Highlightprogramm gab. Die Stimmung war grandios und das Publikum feierte die Rostocker Band absolut ab. Bengalische Feuer wurden entzündet und jedes Wort mitgesungen. Zwei Feuerschlucker auf der Bühne zeigten, was sie konnten. Diese 75 Minuten werde ich so schnell nicht vergessen. Es war ein herausragendes Konzert von DRITTE WAHL. Eines der besten Konzerte seit langem.
Als der Morgen graute krabbelte ich schließlich in mein Zelt. Wenige Stunden Schlaf später riss mich Backofenhitze ins Freie. Die Sonne ballerte, wie die Tage davor auch, voll auf das Zelt, wodurch es zur Mittagszeit einer tropischen Sauna glich. Der Tag schleppte sich dahin. Keine Lust auf Stau in Richtung Ostsee und keine Lust auf irgendwas. Gegen Mittag bauten wir dann unsere Zelte ab, luden sie ins Auto und schlugen die Zeit bis 14.30 Uhr tot.
Anschließend zog es viele - vornehmlich Altpunks und Leute aus dem Osten der Republik - vor die Hauptbühne, wo CAFÉSPIONE spielten. Die Band coverte SCHLEIMKEIM–Songs. Musikalisch klangen sie klar besser. Nur der Gesang war genauso kreischend-räudig wie die von Sänger Otze. Warum die Band allerdings auf dem Force Attack spielen durfte ist für mich nicht ganz klar. Das Force Attack braucht keine Coverband.
REJECTED YOUTH, die danach im Zelt spielten, boten guten Streetpunk der englischen Schule. Sehr ordentlich, aber ohne Überraschungen.
Zum Entspannen gab es danach auf der Zeltbühne ROLANDO RANDOM & THE YOUNG SOUL REBELS. Angenehmer Midtempo Ska mit Soul, Reggae und Mestizo gewürzt.
Fotos: Lundi