adicts.jpgGlitzernder Kindergeburtstag in Punkrockhausen!

Berlin / 19.9.2008 im SO36:
Ach, es war wieder Klassentreffen im Berliner SO36, denn mit den englischen ADICTS (Geile Klugscheißerei später am Tresen: „Woher sind die?“ „Aus Ipswich, ihr Nieten“) hatten sich ja nicht nur Punkrocker der allerersten Stunde des Punkrocks angekündigt, sondern auch eine Band, die im 31. Jahr ihrer Existenz ihrem Publikum live immer noch eindrucksvoll zeigen kann, wo der Bartel den Most holt. Wie man so sagt. Unsere Idee,
vorher noch im gegenüber liegenden Franken in Erfrischungsgetränk zu uns zu nehmen erwies sich dann auch als mäßig intelligent, denn nicht nur die Oranienstrasse war kurz nach acht bereits mächtig voll, sondern auch das Franken und die meisten Gäste dort. Die gesamte Prominenz war gekommen und hatte sich noch einmal schön mit den alten Nietenjacken geschmückt und die Haare stachelig aufgestellt. Vor dem Spätkauf pinkelt einer die vorbeifahrenden Autos an und im SO kotzt ein älterer Mann in den Flur. So weit, so Punk.

Da sich das SO ja immer noch weigert, Gäste wieder hinaus zu lassen, wenn sie einmal drin sind (wegen den Nachbarn) bleiben eben alle länge draußen vor der Tür stehen. Wir kommen mit unseren Nachbarn ins Gespräch, die sich als Vorband heraus stellen – also haben auch wir noch keine Eile, ins SO zu gehen. Konsequent holen wir noch mehr Dosenbier, pinkeln in die Rabatte und kommen genau rechtzeitig zum großen Auftritt – für Vorbands sind wir einfach schon zu alt (wem das nicht passt dem berichtet Autor Frank unten ergänzend).

Die schönste Geschichte zu den ADICTS um ihren Frontmann „Monkey“ (Namensgebung angeblich in seiner Kindheit wegen der großen Ohren) ist eigentlich ihre Namensgebung. 1977 nannten sie sich erstmal THE AFTERBIRTHS, dann PINZ und weil es schon eine Band gab, die so hieß, nannte man sich eben THE ADDICTS (Achtung: in der richtigen englischen Schreibweise mit Doppel-D!). Bald meldete sich jedoch erneut eine Band, die diesen Namen bereits für sich beanspruchte, und mit einer dieser herzerfrischenden Punkrock-Aktionen sagte man sich: ja leck du mich doch am Arsch und nannte sich, in total inkorrekter Schreibweise, eben THE ADICTS. Dabei blieb es, bis auf einige konfuse Auftritte als ADX oder FUN ADICTS, bis heute.
 
adicts2.jpgUnd was für eine großartige Musik sie immer noch machen kann man gleich von Anfang an hören. Ziemlich früh kommen bereits „Get Addicted“ und „Viva La Revolution“, die beiden Großhits, später werden dramaturgisch schön ins Programm die anderen Hits gestreut: „Numbers“, „England“, „Joker in the Pack“ und dann später noch „Chinese Takeaway“ und als allerletzte Zugabe „Bad Boy“, das ich auf Platte immer recht langweiligen New-Wave-Pop fand – aber die Band hat eben dazu gelernt und im Konzert war das Lied zum Abschluss noch mal der perfekte Totalausraster für alle, die vorne noch stehen konnten. Ist ja auch mal schön, wenn eine Band keine neuen Lieder mehr macht, dann hat man beim Konzert mehr Zeit für die alten Sachen und macht die dafür perfekt.

Weiterhin hat die Band übrigens auch ihr Auf-der-Bühne-bin-ich-Schwein-Programm perfektioniert. Bekannt sind sie ja schon lange wegen ihres an Stanley Kubricks „Clockwork Orange“ angelehnten Bühnen-Outfits. Wobei gesagt sein soll, dass sie damit 1977 vor allem der zunehmend durchuniformierten Punkszene einen lustigen Clown vorsetzen wollten. Und so ein richtiges Bühnenoutfit war das auch nie, eben wie bei Clockwork Orange, da trägt mal einer ’n Bowler-Hut, dann ein anderer, alle haben Sachen an, die wenigstens an die Farbe weiß erinnern. Und dann natürlich Sänger Monkey, der schon in einem glitzernden, weit auskragenden Harlekinkostüm auf die Bühne gesprungen kommt, geschminkt und gut gelaunt!
Hey, hey, Krusty der Clown. Und ab da geht’s los: Konfetti, Luftschlangen, Luftballons werden minütlich ins Publikum gefeuert. Kindergeburtstag in Punkrockhausen, die schwitzende Punkermenge in den ersten Reihen glitzert lustig und schießt sich Luftballons zu.

Die Band hat Spaß, das Publikum hat Spaß, das ausverkaufte (!) SO36 gibt alles. Ein Riesenspaß, ein Superkonzert und draußen auf der Straße verschwitzte, gut gelaunte Punkrocker voller Glitzerkonfetti.

flo 

Frank will noch von den Vorbands TIGHT FINKS und THE SITUATIONS berichten:

THE SITUATIONS aus Berlin begannen kurz vor 21.00 Uhr. Im Vorfeld wurde mir gesagt, dass die Berliner Band richtig gut sein soll, so war ich sehr gespannt, was sie zu bieten hatten. Zu dieser Zeit war das SO36 erst knapp halbvoll. Die Band legte gut los und schaffte es, dass viele Leute nach vorne gingen, um sie sich intensiver anzuschauen. Was sich auch echt lohnte, denn THE SITUATIONS waren richtig gut. Vom Stil her eine Mischung aus ´77 Punk, Garage und einer ordentlichen Dosis Speed. Es ging also gut und schräg zur Sache. Die Combo spielte eine gute halbe Stunde. In dieser halben Stunde füllte sich der Club zusehends, so dass TIGHT FINKS vor fast vollem Haus spielten. Sie boten sehr sauberen, fast klinischen ´77 Punk. Sauber durchgestylt war nicht nur die Musik sondern auch die drei Jungs. Da passte alles zusammen, nur wirkte es einen Tick zu clean. Fast wie aus dem Katalog. Die Band wusste trotzdem ebenfalls zu gefallen, es wurde ordentlich das Tanzbein geschwungen und die Stimmung stieg Song für Song an.

frank