Berlin / 26.3.2010 im Columbia Club: Vor 15 Jahren habe ich WARRIOR SOUL zum letzten Mal im Berliner Huxleys live erleben dürfen und nach dem bald folgenden Split der Band nicht mehr mit einer Wiederbelebung der New Yorker Combo gerechnet. Entsprechend vorfreudig und kribbelig mit alten WARRIOR SOUL-Krachern im Ohr machte ich mich auf den Weg zum Gig am altehrwürdigen Flughafen Tempelhof.
Freitagabend in Berlin haben sich vor dem Columbia Club nur einige wenige Fans versammelt. Die Hauptstadt scheint momentan so dermaßen mit Konzerten übersättigt zu sein, dass die Leute ihre hart erarbeiteten Euronen zwei Mal umdrehen und genau überlegen, welches Konzert sie aus der Fülle des Angebotes auswählen.
Zehn Minuten vor dem planmäßigen Beginn betrete ich recht schockiert die Halle. Ich
habe es noch nie erlebt, dass das hintere Drittel mit einem schwarzen Vorhang abgetrennt wurde. Die bislang versammelten Fans überschreiten zu dem Zeitpunkt nicht die 20er Grenze.
Nach kurzer Verzögerung, die mit der entspannten Einnahme von Getränken und Rauchwaren überbrückt wird, krallen sich AVATAR Instrumente und Mikro. Die Schweden rocken als stünden tausende Fans dicht gedrängt vor der Bühne. Ich ziehe meinen Hut vor solch einem professionellen und vor allem arschtretenden Auftritt! Melodische Death Metal –Songs knallen die fünf dem zurückhaltenden Berliner Publikum um die Ohren. AVATAR sind ein perfekt eingespieltes Team, das kompromisslos post, auch das Synchron-Bangen beherrscht und mit reichlich Action versucht, die lahmen Zuschauer aufzuwecken. Um die Leute aus der Reserve zu locken, packt Sänger Johannes Eckerström seine astreinen Deutschkenntnisse aus und heißt das Publikum auf charmante Weise herzlich willkommen. Ich sichte leider nur einen einsamen Headbanger vor der Bühne, doch die Göteborger Jungs rocken trotzdem die Hütte. Johannes versucht sich nun als Animateur mit einem Trinkspiel, wofür er einen Benzinkanister auf die Bühne geschleppt hat, aus dem er trinkt. Hm, den Sinn des Spiels verstehe ich nicht (ist wohl schwedischer Humor?!).
AVATAR sind zweifelsohne eine Metal Band mit fetzenden, melodischen und gleichzeitig brachialen Songs, die obendrauf noch einen guten Unterhaltungsfaktor bieten. An diesem Abend bleibt jedoch die große Begeisterung der Anwesenden leider aus und sie ernten einen eher schwachen Applaus. Am Ende des Abends müssen die Musiker auch noch direkte Kritik einstecken. Am Ausgang der Halle bieten sie ihre aktuelle Veröffentlichung „Avatar" und T-Shirts zum Kauf feil. Eine Frau, die vor mir die Schweden passiert, meint mit typisch Berliner Schnauze zum Flyer verteilenden Gitarristen „Dit war richtig Scheiße!". Dem Gesichtsausdruck des Schweden entnehme ich, dass er sehr wohl verstanden hat, dass ihre Aussage nichts Gutes zu bedeuten hat. Mein Fazit: Rock'n'Roll ist, wenn auch nur drei Fans in der ersten Reihe abfeiern!
Mit größerer Fanschar in den ersten Reihen legen WARRIOR SOUL nach dem Intro gleich mit einem alten Hit los. Bei „We Are The Government" springt Sänger Kory Clarke auf die Bühne und wird freudig bejubelt. Die Amis um Kory, den einzig verbliebenen Gründer, haben eine Mischung aus reichlich alten Hits und einigen neuen Songs von „Destroy The War Machine" in ihrem Gepäck aus Metal mit starkem Punkeinschlag. Und damit bleibt kein Wunsch der Fans offen. Als sich WARRIOR SOUL Ende der 80er Jahre gründeten, gab Kory dem typischen WARRIOR SOUL-Sound den Namen Acid-Punk.
Am Ende von „Love Drug" geht der charismatische Frontmann auf die Knie. Mit seiner tiefen, extrem verrauchten Stimme verleiht er den Songs die unverkennbare Note. Besonders bei den Ansagen klingen seine Worte, als würde er reichlich gefüllte Aschenbecher frühstücken und mit Whiskey nachspülen. WARRIOR SOUL sprühen nur so vor Energie, wobei die Musiker Kory ganz klar die Hauptrolle in seinem Bühnenspiel überlassen. Ja, der New Yorker beweist einmal wieder seine schauspielerischen Fähigkeiten, mit theatralischer Mimik, Gestik und ganzem Körpereinsatz interpretiert er die Texte. Mal zappelt er wie ein ungeduldiges Kind vor der Weihnachtsbescherung, schwingt lasziv seine Hüften, boxt wütend mit Arm- und Beineinsatz oder wirft sich plötzlich auf den Boden. Kory wirkt kein bisschen gealtert, an seiner Bühnenshow sollte sich so manch ein Jungspund ein Beispiel nehmen. WARRIOR SOUL waren und sind ganz klar politisch und sozialkritisch. So erklärt Kory, dass er das folgende anprangernde „The Party" Bush jun. gewidmet hat. Nach Songs voller Schnelligkeit und Energie gibt es mit „The Losers" zwischendurch ein etwas getrageneres Stück. Mittlerweile sind die Anwesenden längst aufgewacht, singen oder grölen mit und Pommesgabeln werden in die Höhe gereckt. Als die ersten Takte von „Let's Get Wasted" ertönen, kommt erstaunlicherweise sogar Bewegung in die Meute! Voller Wut und Aggression schmettern die Amis „Fuck the Pigs". Als die Musiker anschließend von der Bühne verschwinden, fällt mir auf wie schnell eine Stunde verrast ist. Aber keiner will die Band, auf die wir in Berlin so lange warten mussten, einfach ziehen lassen: bei den folgenden Zugaben „Downtown" und „The Wasteland" flippen vor allem die Fans in der ersten Reihe völlig aus. WARRIOR SOUL haben sichtlich Spaß und werden begeistert gefeiert. Fans mit glücklichen Gesichtern machen sich auf den Weg in die kühle Berliner Nacht. Es war eins der Konzerte, die man nicht vergessen wird von einer Kult-Band, die definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.