Comeback seitwärts mit Rolle!
09.06.2013 – Rock Im Park, Nürnberg Dieser Tag war für mich ein gigantischer Flashback: Bereits 2008 war ich bei Rock Im Park, um unter anderem auch PARAMORE live zu sehen – die damals noch recht unbekannt waren, obwohl sie ein Jahr zuvor
bereits ihr zweites, herausragendes Studioalbum „Riot“ veröffentlichten. Aufgrund unglücklicher Umstände verpasste ich die Band damals jedoch und ärgerte mich grün und logischerweise auch blau. In den folgenden Jahren ging es mit dem Quartett bergab, da Spannungen zwischen den Mitgliedern die Band allmählich in der Versenkung verschwinden ließen. Trotz ihres weltweiten Erfolges mit dem dritten Album „Brand New Eyes“. Für mich ergab sich daher leider keine Möglichkeit, PARAMORE live in Deutschland zu sehen.
Umso erfreulicher ist es da, dass sich Hayley, Jeremy und Taylor nach der Trennung von den Gebrüdern Josh und Zac Farro wieder aufgerappelt und mit ihrem bislang besten Album „Paramore“ ein unerwartet geniales Comeback hingelegt haben. Nach Promotion-Aktionen wie einem Auftritt bei TV Total genießen PARAMORE nun auch in Deutschland breitere Anerkennung und rocken somit beim RIP 2013 auf der großen Centerstage – 2008 wurden sie noch auf der vergleichsweise winzigen Clubstage präsentiert! Zu Anfang war ich etwas erstaunt über diese Entscheidung der Veranstalter, doch die Sorgen verflogen schnell, wie sich später herausstellte.
An diesem Sonntagnachmittag wirkte das gesamte Konzertgelände im Vergleich zu meinen Erinnerungen an 2010 erstaunlich leer, was ich als angenehme Abwechslung empfand. Natürlich spreche ich hier immer noch von mehreren zehntausend Menschen. Dennoch gab es vor den Bühnen und insbesondere hinter den Wellenbrechern keine bedrückende Enge und die Menschen waren optimal verteilt. Ich vermute aber, dass diese Situation auch einen ernsten Hintergrund hat: Sicher konnten viele Menschen das Festival aufgrund der immer noch massiven Überflutungen in Bayern, Sachsen, Thüringen und anderen Bundesländern nicht besuchen. Auf dem Gelände sprach ich mit mehreren Gästen, die mir diesen Eindruck bestätigten. Einige berichteten von Freunden und Bekannten, die ihre Tickets einen Tag zuvor für einen Bruchteil des Originalpreises verscherbeln mussten, da sie ihr Hab und Gut zu Hause vor den Wassermassen schützen wollen. Ich möchte daher an dieser Stelle allen Betroffenen mein Beileid aus- und Mut zusprechen! Ich hoffe sehr, dass sich die Lage in den vielen Regionen Deutschlands schnell bessert. Von der bedrückenden Stimmung im Land war jedoch auf dem Festival kaum etwas zu spüren, was mir nach den ernüchternden Berichten wieder etwas Auftrieb gab. Denn gerade das ist das schöne an einem solchen Zusammentreffen: Die Musik und das Gefühl von Freiheit verbinden uns Menschen und lassen uns alles Andere für ein paar Tage vergessen, denn letztendlich muss das Leben weitergehen. Solange daher keine Personen zu Schaden oder gar ums Leben kommen, haben wir alle Glück im Unglück.
Doch nun zum Auftritt: Wie immer ließ ich es mir nicht nehmen, ganz weit nach vorn zu gehen. Wer die Centerstage kennt, der weiß, dass die Entfernungen zur Bühne teils richtig groß sind und vor dem ersten Wellenbrecher am besten die Post abgeht. Zwar haben PARAMORE punkige Einflüsse, ich würde sie jedoch eher als rockig-dynamische Band mit poppigen Einflüssen bezeichnen. Aus diesem Grund und sicher auch wegen der inspirierenden, selbstbewussten Frontfrau Hayley Williams war das Publikum vorn größtenteils weiblich. Es folgte eine fußballbezogene Ansage der beiden Festival-Moderatoren, bei der es reichlich Buhrufe gab, egal welche Mannschaft genannt wurde. Da sag´ noch einmal: Fußball vereint Menschen. Im Anschluss betraten PARAMORE endlich die Bühne und Hayleys Ausstrahlung erfüllte sofort den ganzen Platz. Pünktlich kam trotz der 80% Gewitterwahrscheinlichkeit die Sonne zum Vorschein und grillte die Gemüter, während die Band „Misery Business“ auf die Bretter schmetterte. Ein perfekter Opener, um das Eis zu brechen, müsste man meinen. Doch das Publikum war bis auf ein wenig Kopfnicken und Mitsingen leider noch recht verhalten. Wie bei Festivals dieser Größenordnung üblich, sammeln sich eben oft auch Fans von später folgenden Acts vorzeitig an der Bühne. Nach zwei weiteren Songs tauten endlich ein paar Fans auf und fingen an, zu „Pressure“ vom Debütalbum einen kleinen Moshpit anzustimmen. Besagte Damen empfanden das eher als lästig, obwohl es noch sehr harmlos zuging. Bei „For A Pessimist, I´m Pretty Optimistic“ vergrößerte sich die Tanzgrube und ich stieg freudig erregt mit ein. Spätestens als die beiden als Bananen verkleideten Typen sich mit ins Getümmel stürzten, ging die Action richtig los. Nach dieser kurzen Einstimmung mit PARAMORE-Klassikern stimmte Taylor das Riff von „Decode“ ein und Hayley sprach alle Nicht-Fans an, als wolle sie verdeutlichen: Diesen geilen Song, den ihr vielleicht aus dem „Twilight“-Soundtrack kennt, haben wir geschrieben. Cool was? Dann kamen endlich auch Tracks der neuen Platte zum Zuge. Der wuchtige Refrain von „Now“ riss die Menschen mit sich und forderte alles von den staubigen Kehlen. Hayley war wie immer auf Hochtouren und legte trotz ihrer unglaublich aktiven Performance perfekte Vocals hin. Selbst die schwierigsten Passagen meisterte sie mit Bravur. Neben dieser Glanzleistung schaffte sie es zudem, immer Kontakt zum Publikum zu halten und so würdigte sie sogar während „Ain´t It Fun“ die Sprunghöhe meines Nachbarn und mir, die wir während des Refrains erreichten, mit einem freudigen Blick und gestrecktem Zeigefinger. Bei diesem Song stimmte das Publikum die fantastische Zeile „dont go cryin´to your mother ´cause youre on your own in the real world“ lautstark mit ein. Doch nicht nur Hayley lief zu körperlicher Topform auf, auch der überaus gutaussehende Bassist Jeremy performte während des Spielens einen irrsinnigen Sprung seitwärts mit Rolle. Die starke Nummer „Ignorance“ vom dritten Album fand auch ihren Platz in der Setliste und mit „Brick By Boring Brick“ schlossen PARAMORE den genialen Gig ab.
Die Band legt nach ihrer langen Pause und den internen Widrigkeiten ein gelungenes Comeback hin – sowohl im Studio als auch auf der Bühne. Die Spielfreude war unbändig, Hayley bezaubernd und die Songliste ließ nichts zu wünschen übrig. Es ist erstaunlich, dass eine so junge Band derart professionell und dennoch leidenschaftlich mit ihrem bahnbrechenden Erfolg umgeht. Einzig der Sound hätte für meinen Geschmack etwas klarer und druckvoller sein können, in etwa wie auf der etwas kleineren Alternastage. Aber vielleicht bin ich nach all den Konzerten auch schon hörgeschädigt. Ich verneige mich vor diesem Trio und hoffe, dass es sich bald wieder einen festen Schlagzeuger ins Boot holt, der dabei hilft, den Stil von PARAMORE weiter auszubauen.
Weitere Deutschlandtermine findet ihr hier:
22. Juni – Docks, Hamburg
11. September – Kesselhaus, München
13. September – Columbiahalle, Berlin
16. September – Mitsubishi Electric, Düsseldorf
18. September – Hugenottenhalle, Neu Isenburg