brs_liveSmells Like Grunge Spirit

München, 15.04.2014, Backstage (Halle) Inzwischen muss man kaum noch jemandem die BLOOD RED SHOES vorstellen, da sich das Duo in den letzten Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad erspielt hat. Dazu haben nicht nur die ersten beiden, herausragenden Alben beigetragen, sondern auch deren massive Bühnenpräsenz – es wirkt, als sei die Band ununterbrochen auf Tour, um den Fans ihre tanzbaren Rock-Hits auf die Lauscher zu schmettern. Nach einem etwas schwächeren Release sind BLOOD RED SHOES nun mit der vierten, selbstbetitelten Platte im Gepäck wieder in Deutschland unterwegs und präsentieren sich im alten Glanz.

Besonders schön ist es, dass Steven und Laura-Mary sich als Support gern mal unbekanntere Bands einladen, die sie scheinbar selbst gern anhören. Diese Art persönlicher Empfehlung führt dazu, dass die Vorbands stilistisch perfekt ins Ambiente des Abends passen und so auch ein Stück vom ganz großen Glück abbekommen. Dieses Mal waren THE WYTCHES an Bord: ein junges Trio aus Brighton, das kurz vor der Veröffentlichung seines wuchtigen Debütalbums „Annabel Dream Reader“ unter Heavenly Recordings steht. Von diesem spielten sie auch direkt den surfig-psychedelischen Opener „Digsaw“, bei dem Kristian Bell den Vibrato-Hebel seiner Gitarre malträtierte wie eine persönliche Schwanzverlängerung. Ekstatisch zappelnd schrie er den Refrain ins Mikro, wodurch auch seine Stimme ein fast erschreckendes Flattern bekam, das er von Zeit zu Zeit gekonnt einsetzte. Die räudigen Haare verdeckten dabei sein bubenhaftes Gesicht vollkommen. Der verzerrte Stoner-Bass fügte dem Sound das letzte Fünkchen Schmutz obenauf.

Bei „Born Out The Bruise“ kam dieses unbeschreibliche Gefühl auf, das man als Teenager hat, wenn man zum ersten Mal NIRVANA anhört. Wut, Freude, Verzweiflung, Hoffnung, Gleichgültigkeit – alles in einem Song von unbändiger Power kombiniert. Daran sind vor allem die unterschwelligen Harmonien schuld, die sich hinter der rauen Grunge-Fassade verbergen. Auch die zuletzt veröffentlichte Single „Gravedweller“ funktioniert live wahnsinnig gut. Die Band ersoff dabei förmlich im rot-blauen Nebel. Beim letzten Song wirkte Steven von BLOOD RED SHOES an der Orgel mit, um das etwas lethargisch reagierende Publikum noch einmal auf THE WYTCHES aufmerksam zu machen. Oft genug wissen Menschen leider nicht, dass etwas gut ist, bis es ihnen jemand sagt, von dem sie wissen, dass der es ja wissen muss. Wie dem auch sei: Nach so einer fetten Performance fällt die Wartezeit auf das Debütalbum „Annabel Dream Reader“ umso qualvoller aus. Hier ein kleiner Vorgeschmack:

BLOOD RED SHOES hingegen haben ihre neue Platte schon an den Mann und die Frau gebracht, weswegen der Andrang beim Konzert entsprechend hoch ausfiel. Das Album ist selbstbetitelt und scheint (wie so oft) die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln zu symbolisieren – der absolut gelungen ist. Der instrumentale Opener des Albums, „Welcome Home“ diente auch zur Einleitung des Konzerts. Es folgten Klassiker wie „I Wish I Was Someone Better“, „Dont Ask“ oder „You Bring Me Down“, die einst in kürzester Zeit den rasanten Ruhm der Band begründeten. Steven, ganz die geborene Rampensau, zögerte auch diesmal nicht, das Publikum anzuheizen. So stürzte er fast, als er sich zum Posen auf seinen Hocker stellte.

„Speech Coma“ vom aktuellen Album zündete ebenfalls sofort und hielt die Menge in Bewegung, so gut es ging. Die Halle war im Vergleich zum Vorjahr deutlich voller, sodass selbst das Moshen erschwert wurde. Die zierlichen Mädels im Epizentrum des wilden Tanzes schütteten sich bei jedem Rempler unfreiwillig ihre teuren Drinks über den Latz und dufteten sogleich wie wandelnde Vater-Komplexe. Auch der letzte Horst hat spätestens bei der gut gewählten Single „An Animal“ seine schlaffen Extremitäten in die Höhe gewuchtet:

Insgesamt war die Songauswahl gut durchmischt, die beliebtesten Hits wurden brav durchgezogen. Lediglich Tracks von „In Time To Voices“ waren rar gesät. Das eher langsame „Cold“ wurde von den Anwesenden nicht sonderlich gefeiert, die gnadenlose Nummer „Je Me Perds“ hingegen war als Zugabe natürlich ein Garant für völliges Ausrasten. Der perfekte Rausschmeißer. Pflicht erfüllt, Kür gelungen – was will man mehr?

 

- pd