"Jetzt bin ich schwanger!"
15.05.2014 – Strom, München. Wieder einmal ist es so weit: WALLIS BIRD tourt mit einem brandneuen, brandheißen Album durch die Republik. Mit „Architect“ veröffentlichte die kleine Stimmkanone ihr inzwischen viertes Studioalbum und überzeugt mit ihrer unverwechselbaren Stimme, die sie so spielerisch im Griff hat wie ein Cowboy den wilden Hengst.
Als Support spielte zunächst die Münchner Band TIMM TRAUBERTS BLUES auf der kleinen, aber heimeligen Bühne des Strom. Warum, das erklärte Sänger Tobi sogleich: Er drehte mit WALLIS eines Ihrer Musikvideos. Nach einem langen Arbeitstag und jede Menge Jägermeister fasste der Sänger seinen ganzen Mut zusammen und spielte ihr ein Lied vor, das der gebürtigen Irin so gut gefiel, dass sie seine Band zu diesem Konzert als Unterstützung anforderte. Die einzige Bedingung: Tobi müsse eben jenes Lied ohne seine Band auf der Bühne vortragen.
So viel zur Vorgeschichte. Jedoch war diese Entscheidung etwas verwunderlich, da TIMM TRAUBERTS BLUES musikalisch kaum mithalten konnten und momentan eher in der Kreisliga Münchens spielen. Die sechsköpfige Truppe hat erst kurz zuvor zueinandergefunden und wirkte deshalb teilweise unsicher auf der Bühne, obwohl alle Instrumentalisten ihr Handwerk sehr gut beherrschten. Das Zusammenspiel war knackig und harmonisch. Jedoch lässt sich das über die Stimmen des Frontmanns und der zweiten Sängerin nicht behaupten, die gewöhnlich waren und kaum Spitzen zu bieten hatten. Das Metrum bei den Vocals wirkte zudem oft holprig, da nicht enden wollende Zeilen wie „ich kaufte ihr das gepunktete Kleid auf dem Schwabinger Hinterhof-Flohmarkt“ scheinbar wahllos drauf los gesungen waren. Das ist schade, da Songs wie „Das Mädchen aus der Münchner Bourgeoisie“ oder „Nachttram 27“ im Ansatz stimmig waren, wenn auch etwas langatmig und monoton – hier ist noch viel Luft nach oben, die sicherlich mit etwas mehr Bühnenerfahrung gefüllt werden kann. In lyrischer Hinsicht traf Tobi von Zeit zu Zeit gute Bilder, nur um kurz darauf ziemlich ins Klo zu greifen. Sein Selbstbewusstsein in allen Ehren, doch die verrucht-erotische Art eines gestandenen Country-Helden hat er leider nicht. Beinah jeder Song drehte sich um vermeintliche Frauengeschichten vermischt mit Münchner Lokalromantik. Giesinger Berg hier, Flasche Wein. Gärtnerplatz dort, Flasche Wein. Auf Dauer war das eher ermüdend und eröffnete den Abend für WALLIS BIRD suboptimal. Dennoch ist es schön, dass WALLIS BIRD ganz ohne Eigennutz auch unbekannteren Bands eine so große Chance ermöglicht.
Die Wahlberlinerin startete Ihren Auftritt energetisch wie eh und je. Es ist rätselhaft, wie sie bei Ihrem manischen Tanz nicht aus der Puste kommt und stets perfekt singt. Da es heute um „Architect“ gehen sollte, spielte WALLIS BIRD auch vermehrt Songs von diesem Album, darunter die fetzige Nummer „Hardly Hardly“, die sich perfekt bei Ihren beliebten Klassikern einreihen wird. Anders steht es da um „Gloria“, das sehr elektro-lastige Stück mit Uptempo-Beat. Weder die Studio-Version noch die Live-Umsetzung wollen so recht ins Bild passen. Es ist zwar schön, dass man WALLIS BIRD nicht auf Folk, Pop, Akustik, Rock oder andere Genres festnageln kann, doch elektronische Tunes sind nicht Ihre Stärke – zum Glück ist der Song die Ausnahme. Zwischendrin witzelt und erzählt sie immer wieder von ihren neuesten Erlebnissen, vermehrt auf Deutsch. In den letzten zwei Jahren ist ihr Wortschatz deutlich besser geworden. Der Schwank des Abends war es diesmal, dass Sie einen Tag zuvor beim Konzert in Milan einen spontanen Stagedive hingelegt hat – und dabei von einem „Fan“ gefingert wurde... „und jetzt bin ich schwanger“ resümierte sie scherzhaft. Diese Frau haut einfach nichts aus den Latschen.
Während des Abends zerschredderte WALLIS so viele Saiten, dass der Roadie bei fast jedem Song die Gitarren austauschen musste. Scheinbar „business as usual“, denn die Sängerin ließ sich nichts anmerken und gab einfach weiter Vollgas. Sie liebt es, sich bis zum Limit zu pushen. Als sie den Klassiker „To My Bones“ vom zweiten Album spielte, bekam sie von den Fans in der ersten Reihe bei der Stelle mit dem lauten „the world will love youuuuuuwoooh“ erstmal eine Ladung Konfetti verpasst und war sichtlich überrascht und erfreut. Dieses unbeschwerte Feeling bringt WALLIS bei jedem Konzert zustande, es überträgt sich auf die Fans und bringt Bewegung in die Bude. Aber auch ruhigere Stücke wie „I Can Be Your Man“ oder „Holding A Light“ vom neuen Album funktionierten hervorragend: Bei ersterem nutzte Sie eine Loopstation, um die überlagerten Vocals einzusingen und langsam zu einem Song aufzubauen. Das einzige Problem dabei war, dass im Club die Tür der Damentoilette extrem laut gequietscht hat. Kein Scherz – zum Teil war das nervenzerreißende Geräusch so laut, dass sich zugleich 30 Köpfe im Publikum dessen Quelle suchend in die Richtung drehten. Ein gehöriger Stimmungsdämpfer, wenn man gerade am Träumen ist.
WALLIS hat sich davon nicht irritieren lassen und hat sich bei den Zugaben einen zauberhaften Abschluss ausgedacht: Sie gab vier verschiedenen Bereichen im Publikum Stimmen vor, die dann im Kanon gesungen werden sollten. Keine der Melodien war besonders leicht zu singen, dennoch übertraf das Zusammenspiel alle Erwartungen. Jeder Bereich behielt seine Melodie bei, sodass WALLIS auf dieser Basis weitersingen konnte. Diese magische Stimmung erzeugte Gänsehaut im Format von Maulwurfhügeln. Grandios, gerne wieder!
Hier gehts zu den noch anstehenden Tourdaten in diesem Jahr: http://www.wallisbird.com/live/index.htm
pd