a7tqxbnf.jpgEin Buch will Mauern bauen

Berlin / 9.2.10: In Westdeutschland ist ein ungerechtes, diffamierendes und unser friedliches deutsches Volk aufhetzendes Druckerzeugnis erschienen. Es ist schlimmer und niveauloser als das siebende Buch Moses, als die Hitler-Tagebücher und erst recht schlimmer als die Bild-Zeitung vom vergangenen Montag. Was hat sich dieser Klaus Bittermann, der den Verlag Tiamat leitet, nur gedacht? Wieso macht er sich, gemeinsam mit seinen schreibenden Spießgesellen, so über unsere Helden der friedlichen Revolution lustig? Ohne den hervorragenden Lutz Rathenow und auch ohne den kritischen und für die Rechte der Schwächeren eintretenden Friedrich Schorlemmer wären Honecker und seine Brut niemals von ihrem hohen Thron hinweggefegt worden. Ohne Herrn Biermann, dessen Lieder heute noch aufrütteln und irgend etwas gemahnen, hätte sich kein Künstler der DDR getraut seine Meinung zu sagen und zu singen. Was hat denn der DDR-Bürger alles lesen dürfen? Nur gleichgeschaltete Tageszeitungen und Wochenblätter, aber keine bunten und aufrüttelnden Journale, wie „Super Illu“, „Spiegel“ oder „Frau von heute“. Natürlich bleibt es in einer Demokratie nicht aus, dass dann auch Bücher erscheinen, die bereits im Titel ihre Schandtat ankündigen: „Unter Zonis – Zwanzig Jahre reichen jetzt so langsam mal wieder“. Leider ist hier und da in Deutschland eine nicht genehmigte Schlägerei im Gange, die neu gewählte Regierung wird das dann schon machen. Aber, dass da im Osten vor allem die rechte Gesinnung im Spiel ist, ist eine Diffamierung. Es sind einfach nur Jugendliche, die etwas über den Durst getrunken haben und sich nicht schief angucken lassen. Politische Hinterbänkler kämpfen ja schon lange für ein Verbot der NPD. Außerdem sorgt unser Minister im Rollstuhl dafür, dass bald überall Kameras installiert sind, damit auch die letzte kleine Rangelei erfasst wird und der Straftäter wieder in seine Heimat geschickt werden kann. Ne, ne welch gemeines Buch. Die erfassten Autoren haben so etwas von Recht: es gibt jede Menge Naziübergriffe, ständig schnelle Autos an den Bäumen, immer wieder meckernde Rentner und Zonis, die plötzlich die DDR gar nicht so schlecht fanden und wenigstens ein bisschen Mauer zurück haben wollen und Hass, Habgier und Arschkriecherei. Man fragt sich im Buch, warum die Revolution friedlich war und nur bis zur DM geführt wurde. Und warum plötzlich all die unseligen und zu Recht ausgestoßenen Künstler immer wieder zu Wort und Druck kommen. Fragen wir den „Macher“ doch selbst.

Wahrschauer: Wenn man jetzt als einer von drüben (der ich ja bin) das Buch kritisiert, heißt es dann: „Da, siehste ein Zoni - kannn keine Kritik vertragen“?
Bittermann: Wenn ein Zoni das Buch kritisierte, wäre ich froh, schließlich will ich ja noch dazulernen und wissen, wie der Zoni wirklich tickt.

W: Wer sollte das Buch unbedingt lesen und geht man vielleicht hier im Osten auf Lesereise?
B: Natürlich sollten alle das Buch unbedingt lesen. Ich habe da keine besonderen Präferenzen. Eine Lesereise im Osten wird, fürchte ich, nicht ganz einfach. Sogar in der Berliner Volksbühne, einem Hort der Meinungsfreiheit und der Künste, lehnte man mit den Worten ab, man würde sich damit „keine Freunde machen“.

W: Bekommt Frau Merkel ein Leseexemplar?
B: Politiker bekommen von mir grundsätzlich keine Freiexemplare.

W: Gibt es denn schon Reaktionen? Vielleicht meldet sich ja Lutz Rathenow, der mittlerweile hier im Osten auch nur noch von Unverbesserlichen gelesen und unbedarften Redakteuren kostenloser Zeitungen rezensiert wird. Es gab ja schon Vorgängerbücher („It`s A Zoni“), leben hier die Autoren noch oder haben sich die Bürger des Ostens demokratisch gezeigt und gelyncht?
B: Man soll auch nicht übertreiben. Alle Autoren leben noch und erfreuen sich bester Gesundheit. Vielmehr ist es doch ein Zeichen der Wiedervereinigung, dass die Ossis und die Wessis selbst nach 20 Jahren noch getrennte Wege gehen, und in der Tat ist es doch am angenehmsten, wenn sich beide Volksstämme gegenseitig ignorieren.

W: Wird das Buch in einem Buchladen von Rostock, Hoyerswerda oder Greifswald zu sehen sein?

B: Vermutlich nicht, aber wer weiß.

W: Als Zoni muss ich sagen, dass alles „irgendwie, vielleicht doch“ wahr ist. Und immer wieder überlege ich, warum die Revolution nicht beendet wurde und all die dicken, häßlichen und Rollstuhl fahrenden Politiker davon gejagt wurden. Es fällt mir keine Antwort ein. Haben Sie als Beobachter aus der Ferne nicht eine?
B: Die Antwort ist im Buch zu finden: Weil die überwiegende Mehrheit der Zonis eben doch vor allem scharf auf den westlichen Konsum waren. Dass sie im Systemvergleich in dieser Hinsicht unterlegen waren, das nahmen sie der Partei vor allem krumm, gegen die sie sonst eigentlich wenig einzuwenden hatten.

W: Die „Die Partei“, die ebenfalls für den Wiederaufbau der Mauer ist, konnte an der Wahl nicht teilnehmen. Das war für alle Sympathisanten ein herber Rückschlag gewesen. Wie geht es weiter, kann ein Buch Mauern bauen?
B: Das ginge nur, wenn „Die Partei“ finanzkräftig wäre, denn dann könnte sie das Buch aufkaufen und damit eine Mauer errichten.

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("Unter Zonis" ist im Tiamat Verlag erschienen)