wahl16.jpgStimme abgeben, behalten oder vögeln für links?

Berlin / 21.5.2009: Europawahl, Bundestagswahl, Landtagswahlen im Saarland, Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie diverse Kommunalwahlen... Und das im Jahr mit der größten Wirtschaftskrise seit der großen Depression von 1929. Könnte spannend sein. Ist es aber nicht. Wer das, was die Parteien vor der Wahl fordern, ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen.

Die GRÜNEN fordern jetzt das abzuschaffen, was sie in der Regierungsverantwortung selbst mitbeschlossen hatten (z.B. Praxisgebühr oder die Heranziehung des Partnereinkommens bei Hartz IV). Die SED konnte sich in der DDR mit solch billigen Taschenspielertricks nicht aus der Affäre ziehen. Sie musste für ihren Scheiß so lange grade stehen, bis das komplette System mit ihr zusammen entsorgt wurde. In Deutschland 2009 dagegen ist alles gaga und egal. Da kann man auch mit dem Slogan „Europa klar machen – mit Wums“ in den Wahlkampf ziehen. Auf die Krise, die angeblich keiner vorhergesehen haben will, antworten alle Parteien mit ihren alten Slogans. Die GRÜNEN setzen dementsprechend auf den ökologischen Umbau der Gesellschaft. Damit geht es dann mit „Wums“ aus der Krise.
 
Die FDP hat sich ebenfalls etwas ganz Neues einfallen lassen: Die „Kraft der Freiheit“. Wie war das noch mal mit der Krise? Hatten die Banken da nicht die „Kraft der Freiheit“, aufgrund mangelnder Kontrolle ihre Kreditexpansion so lange in fiktive Dimensionen auszudehnen, bis es knallen musste? Als es schief ging, haben sie sich bei Mama Staat an den Rockzipfel gehangen und mit Milliarden aufpäppeln lassen. Das kann einen Guido Westerwelle selbstverständlich nicht irritieren, denn unser Guido glaubt ganz doll an sich selbst und dass er es doch noch schafft Außenminister zu werden. Und sonst so? Wie wäre es mit der ollen FDP-Kamelle „Steuerstrukturreform“?  Noch mehr finanzielle Freiheit für Besserverdienende trotz rapide steigender Staatsverschuldung! Jeder weiß, dass dies absurd ist. Aber offensichtlich ist eh alles egal.
 
Die CDU ist schlicht „für den Weg aus der Krise“ und plakatiert die Feststellung „Wir in Europa“ mit "Für Arbeit". Das ist ganz nahe bei: "Ich auf der Welt. Für Glück". Bemerkenswert ist lediglich die Hintergrundinformation, dass zur Ausarbeitung dieses Slogans ein Verfahren nötig war, das sich „über Monate hinzog und intensiv zwischen politischer Führung und den Agenturen diskutiert wurde.“ (CDU-TV) Was das wohl gekostet haben wird...

Für die SPD als Borderline-Partei ist sowieso alles egal. Erst hat sie unter Lafontaine Ende der 90er Jahre die Regulation der Finanzmärkte und eine gerechtere Verteilung der Einkommen gefordert. Dann hat sie Lafontaine gehen lassen und mit Schröder, dem Genossen der Bosse, den größten Einschnitt in das Sozialsystem in der Geschichte der Bundesrepublik verbrochen. Nebenbei auch noch schön neoliberal dereguliert, indem zum Beispiel die Steuer auf Veräußerung von Unternehmensanteilen abgeschafft wurde. Jetzt, in der Krise, hängt die "sozialdemokratische" Partei ihre Meinung wieder in den Wind und biegt unter Schröderintimus Steinmeier unglaubwürdig nach links ab. Das reicht aber in Gagaland, um die Linkspartei im Schatten stehen zu lassen.
 
DIE LINKE ihrerseits lässt die inhaltsleere Forderung "Für Vernunft" mit einem ratlos dreinblickenden Bisky plakatieren und versucht dabei verzweifelt die CDU in der wichtigen Parteidisziplin Langweiligkeit links zu überholen. Nicht fehlen darf natürlich der Slogan: „voll sozial“. Trotzdem regiert die LINKE in Berlin mit der Hartz IV Partei SPD voll problemlos. Da kann der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei und Ober-Realo Dietmar Bartsch noch so viel vom „Systemwechsel“ gegen die fallenden Umfrageergebnisse anreden. Es bleibt unglaubwürdig. Insbesondere wenn er damit die Einführung einer Börsenumsatzsteuer meint. Die hatten wir nämlich bis 1991. Aber ein anderes System hatten wir damals nicht.
Den Vogel hat die Partei aber mit ihrem Radiowerbespot abgeschossen: Ein junges Paar versucht stöhnend zu vögeln. Dann beginnen sie sich urplötzlich darüber zu unterhalten, dass nach einer statistischen Untersuchung Eltern von Mädchen politisch in ihrer Einstellung nach links tendieren. Das wird von dem Pärchen noch argumentativ damit untermauert, dass die Friedensbewegung und die Solidarität auch weiblich sind. Das bringt die Olle am Ende so in Fahrt, dass sie stöhnend fleht: "Ja, mach mir ein Mädchen". Die Botschaft: Sinnentleerten Blödsinn könnt ihr auch bei uns erwarten, wenn wir damit auch nur eine Stimme eines orientierungslosen Jungwählers bekommen. Das ist mindestens so gagaegal wie die intellektuelle Beleidigung der anderen Parteien. (Wer es sich antun will, kann sich den Spot hier anhören.)
 
Nach der Wahl ist alles noch viel egaler. Dann wird regiert. In welcher Konstellation ist auch egal, weil jeder kann mit jedem. Die Grünen regieren in Hamburg auf Landesebene zum Beispiel ohne Probleme mit der CDU. Deshalb haben wir die vier Parteien in unserer Umfrage auch zusammengefasst. Ohne eine Antwort auf existentielle Fragen (Soziale Spaltung, Bildungsmisere oder Klimawandel) wird dann in jeder Konstellation weiter regiert wie vorher.
Gibt es in diesem Spiel tatsächlich ein ‚kleineres Übel’, das einem zur Abgabe seiner Stimme an die fünf großen Parteien überreden könnte? Oder was bringt es, seinen Protest durch die Wahl einer Splitterpartei zum Ausdruck zu bringen? Auf jeden Fall schenkt man der gewählten Partei neben der Legitimation auch noch mit jeder Stimme 0,70 Euro Wahlkampfkostenrückerstattung.
 
Und ungültig wählen? Das Ungültigwählen hat - einigen Legenden zum Trotz - keinerlei Einfluss auf das Wahlergebnis. Allerdings werden die ungültig abgegebenen Stimmen in der amtlichen Wahlstatistik aufgeführt. Nach dieser ist der Anteil der „Falschwähler“ bei den Zweitstimmen zur Bundestagswahl zwischen 1972 bis 2005 kontinuierlich von 0,8 auf 1,8 % gestiegen. Damit ist aber noch nicht der historische Höchststand von 3,4 % bei der Bundestagswahl 1953 erreicht.

Oder seine Stimme für sich behalten, das System ganz ignorieren und gar nicht zur Wahl gehen? Die Zahl der Nichtwähler stieg zwischen 1972 und 2005 kontinuierlich von 8,9 auf 22,3 %.

Was ist eure Meinung? Macht mit bei unserer Umfrage!

Links:
Falsch-Wählen
Ungültig wählen im Wahlrecht-Lexikon

Blockeintrag auf der Seite des Freitag zu den WUMS-Plakaten